Europas Antwort auf die Modern Money Theory
Franz Rieder • und auf das chinesische Modell
(nicht lektorierter Rohentwurf) (Last Update: 01.07.2019)
Europa ist ein Kontinent der Disharmonie. Das war Europa schon immer, damit hat es Erfahrung. Europa hat die griechischen Götter und Adolf Hitler hervorgebracht. Shakespeare und Cervantes, die Tragödie, das Drama und die Komödie. Narren liefen singend durch einen von Pest, Cholera und Kriegen zerstörten Kontinent, der Wille zum Leben begegnet auf europäischem Boden seit Jahrtausenden dem unbedingten Willen zur Macht. Entdecker der Welt waren so kleine Gemeinschaften wie die Wikinger, Kelten und Etrusker trotzen dem Weltreich Rom.
Ein Augustinermönch und Theologieprofessor aus Eisleben widerstand der römischen Kirche und initiierte die Reformation, die ganz Europa veränderte und Johannes Gensfleisch trug die Botschaft hinaus in die ganze Welt. Kleinteilig war Europa schon immer. Preußen standen gegen Bayern, Sachsen gegen alle, Franken plünderten, wo die Soldateska nicht alles mitnehmen konnte.
Ein italienischer Seefahrer in kastilischen Diensten entdeckte im Jahr 1492 Amerika und wähnte sich, als er auf einer Insel der Bahamas an Land ging, in Indien. Später fand ein englischer Tischler, Erfinder und autodidaktischer Uhrmacher aus Foulby bei Wakefield in Yorkshire die Möglichkeit, auf der grenzenlosen See zu navigieren. John Harrison löste durch Entwicklung einer schiffstauglichen Uhr mit hoher Ganggenauigkeit das uralte Längenproblem. Seine Uhren ermöglichten erstmals präzise mechanische Zeitmessungen und damit die genaue Bestimmung des Längengrades auf See. Damit wäre Amerika vielleicht bis heute unentdeckt geblieben und seine Ureinwohner zögen Jahr für Jahr den riesigen Herden nordamerikanischer Büffel weiter hinterher; vielleicht rauchten sie Friedenspfeifen, die Apachen und die Komantschen und erzählten sich von einem weißen Mann, der da einst über das Meer kommen würde wie die Aboriginals in Terra Australica.
Harmonie und Europa gehen nicht in einem Satz konform; bis heute nicht. Harmonie, ein Gleichgewicht der Kräfte, eine symphonische Gestimmtheit existiert weder politisch noch Wirtschaft oder kulturell; daran ändert auch nichts die dauernde Rede von den europäischen Werten. Die interpretiert jedes Land auf seine Art und Weise und Engländer haben gerade einer europäischen Tonart eine mehrheitliche Absage erteilt. Polen, Ungarn, einige osteuropäische Staaten mehr haben eine völlig verschiedene Auffassung von einer europäischen Wertegemeinschaft. Italien ist in vielerlei Hinsicht ein Einzelfall.
In geldpolitischen wie in fiskalischen Angelegenheiten herrscht offen Dissonanz, zwischen Frankreich und Deutschland ebenso wie zwischen Griechenland und Spanien, zwischen den Niederlanden und Portugal. Europa wird nicht als eine politische Einheit zusammenwachsen, politische Koinzidenz ist nicht einmal in der Ferne sichtbar. Was man aber bereits erkennen kann, ist eine Form der politischen Koexistenz, geld- wie wirtschaftspolitisch. Der dafür unzureichende Ausdruck ist Solidarität. Als einer der zentralen Begriffe der Aufklärung bedeutete Solidarität Brüderlichkeit und wurde politisch zur Tugend der Arbeiterklasse, vor allem in der Zeit der Industrialisierung.
Als ein Wunsch oder Prinzip Hoffnung war Solidarität ein Grundprinzip des menschlichen Zusammenlebens aus einer Gesinnung, aus einem Bewusstsein der Zugehörigkeit zu einer Gruppe oder einer Gemeinschaft. Deutschsein, ein Franzose sein, ein Engländer, Spanier oder Italiener hat in der Geschichte Europas so viel Dissonanzen erlebt, dass ein Versuch, was schon bei den meisten Familien nicht funktionierte, nun auf die Ebene einer Staatengemeinschaft zu heben, wie ein schlechter Scherz wirken musste. Aber im Gegenteil, war die Idee einer europäischen Gemeinschaft sprichwörtlich aus den Trümmern des Zweiten Weltkriegs geboren und ist bis heute als Idee Europäer zu sein besonders bei der jüngeren Generation mit über siebzig Prozent an Zustimmung weit verbreitet; mehr als in der Generation der Erfinder dieser Idee. Das lässt weiter hoffen.
Als Prinzip gemeinsamen Handels impliziert Solidarität nicht nur das Verfolgen gemeinsamer Handlungsziele, sondern zugleich auch die gegenseitige Hilfsbereitschaft in Situationen von Not und Krisen. Von Beginn an hat Europa sich diese Form der Solidarität nicht zugetraut. Im Gegenteil, in allen Erklärungen und Verträgen stand und steht das Prinzip des No-Bail-Out im Vordergrund. Wir erinnern an dieser Stelle noch einmal an die Nichtbeistands-Klausel, die eine fundamentale Regelung der Europäischen Wirtschafts- und Währungsunion bezeichnet, die in Art. 125 AEU-Vertrag festgelegt ist. Sie schließt die Haftung der Europäischen Union sowie aller Mitgliedstaaten für Verbindlichkeiten einzelner Mitgliedstaaten sogar explizite aus.
Aber was ist mit dem No-Bail-Out-Artikel geschehen, was ist seine Wirklichkeit? Misstrauisch gegenüber den eigenen Bürgern haben die europäischen Staaten alles andere als nicht-solidarisch gehandelt. Mittlerweile wird selbst in einzelnen Politikrunden fast als ein Versprecher das Prinzip der Solidarität als Einzelfall anerkannt. Irland, Portugal, Spanien, Griechenland, Zypern, Italien – die sog. GIPSIZ-Länder haben europäische Solidarität in Höhe von bis zu 2 Billionen Euro erhalten. Gleichzeit haben die meisten der europäischen Staaten hartherzig jede Form der Solidarität mit Italien und Griechenland sowie Malta bei der Aufnahme von Flüchtlingen verweigert; ein Akt des staatlichen Protektionismus, der zugleich auch eine Form der Inhumanitas zeitigte, die in Europa als schlicht unvorstellbar galt; daran hat auch nur kurz und vorübergehend das Bild des Alan Kurdi auf erschütternde Art und Weise gemahnt; in Syrien wird weiter hemmungslos gegen alle Menschenrechte verstoßen und im Mittelmeer ersaufen weiter Menschen in unerträglich hoher Zahl – im Vorgriff auf Späteres sei an dieser Stelle vermerkt, dass es kein zur Nutzung hier oder anderswo in den Medien frei gegebenes Bild dieses toten Jungen Alan Kurdi gibt. Ein Thema von weltweiter Bedeutung befindet sich nun mit den unsäglich dummen Rechtsvorschriften des europäischen Copyrights in privater Hand. Wenn der kulturellen Prozess im Kern aus der Zugänglichkeit (und bezahlbaren Nutzung) von historisch wie kulturell bedeutenden Inhalten besteht, also von der Möglichkeit eines öffentlichen Diskurses, dann hat Kultur mit dem Copyright, also der universellen Privatisierung des öffentlichen Diskurses nun endlich ihr Ende erreicht. Für den Diskurs und die öffentliche, politische wie kulturelle Bildung zeugt das, was die Politiker nach der Expertise von Juristen im Europäischen Parlament da beschlossen haben, von ununterbietbarer Dummheit und Kulturlosigkeit.
Sinn (2015)1
hat akribisch und minutiös die einzelnen Phasen und Maßnahmen
der europäischen Solidarität mit den von ihm sogenannten
GISPIZ-Länder offengelegt. Warum er wie der Teufel das
Weihwasser den Begriff der Solidarität meidet, wollen wir später
herausfinden. Wir lassen die Frühphase der Irland-Portugal-Krise
kurz außen vor und starten mit der eigentlichen
Eurozonen-Krise, die mit der Griechenland Pleite einen Namen fand und
die brisanteste Phase der Krisen-Solidarität kennzeichnet.
Sie
begann mit den Beschlüssen, die die EU-Länder am 11.04. und
am 10.05.2010 getroffen haben womit der Weg für die
zwischenstaatliche Hilfe der EU-Länder für Griechenland
freimachte. Da wurde der No-Bail-Out-Artikel bereits so weit
ausgeweitet, dass unter dem Namen der Europäischen
Stabilisiserungsfazilität (EFSF) Kredite für Griechenland
ab Mai 2010 und in nicht geringem Ausmaß ein wenig später
auch an Irland und Portugal frei machte. Hinzu kam die Solidarität
von IWF und der EU, letztere unter dem Namen (EFSM) Europäischer
Finanzstabilisierungsmechanismus. Die Namensbezeichnungen tragen
nicht den Aspekt der solidarischen Hilfe, sondern den Aspekt der
notwendigen Gesamtstabilisierung der europäischen
Wirtschaftszone plakativ. Die Solidarität mit den defizitären
Staatsfinanzen weitete sich 2012 mit dem Europäischen
Rettungsfond (ESM), einer permanenten Einrichtung, noch aus und
langsam ging den Europäern das Reservoir an Kürzel und
semantischen Verschleierungen eine, wie wir deutlich nachgezeichnet
haben, indirekten Staatenfinanzierung aus, die es eigentlich in
keinem Fall geben sollte.
Über die Jahre hinweg summierten sich die Netto-Kreditflüsse an die klammen Staaten, die das Vertrauen der Finanzmärkte zur Refinanzierung ihrer überbordenden Kreditdienste verloren hatten, zu stetig steigenden Summen. Ende 2014 belief sich die Nettokreditaufnahme auf 334 Mrd. Euro. Das war aber längst nicht die ganze Summe, denn einige der Notenbanken des Eurosystem, allen voran die der Krisenstaaten, erwarben im Rahmen des Securities Markets Programm (SMP) zwischen Mai 2010 und Februar 2012 Staatspapiere im Volumen von insgesamt 223 Mrd. Euro, die zwar als grenzüberschreitende, private Kapitalströme verbucht wurden, in Wahrheit aber aus dem öffentlichen Sektor veranlasste Kapitalströme in die Krisenländern waren.
Hier zeigt sich bereits die Grenze der Aussagekraft von hoch abstrahierten Sachverhalten, wenn also von sektoraler Geldpolitik die Rede ist und wir können jetzt schon kurz und bündig eine der Grundannahmen der MMT so weit relativieren, dass die grundlagentheoretische Annahme einer bilanziellen Methode selbst auch nicht den mathematischen Methoden der neoklassischen Ökonomik an Daten wie an Analyse überlegen ist.
Sinn, der die Entwicklung bis Ende 2014 überschauen konnte, summiert die „effektiven öffentlichen internationalen Kredite (inklusive grenzüberschreitende SMP-Käufe“ im August 2012 auf 1.362. Mrd. Euro, welche im Dezember 2014 auf ein Gesamtvolumen von 950 Mrd. Euro sich verringert – aber nicht durch Abbau der Kredite sondern durch Gegenrechnung fiskalischen Rettungsmaßnahmen – und damit knapp 30 Prozent des BIP der GIPSIZ-Länder erreicht hatte.
Schauen wir heute auf die Notenbankenbilanzen,
dann müssen wir feststellen, dass die Fed nach einigen Monaten
der Bilanzstraffung noch auf ein Volumen von ca. 4 Billionen
US-Dollar kommt, die EZB hingegen bei ihrer expansiven Geldpolitik
geblieben ist und nun etwa 4,7 Billionen Euro an Krediten in ihrer
Bilanz stehen hat. 4,7 Billionen Euro, das sind etwa 40 Prozent der
gesamten Wirtschaftsleistung der Eurozone und die Tendenz ist
steigend.
Der Referenzzinssatz der EZB liegt bei nach wie vor hoch
problematischen O%, hochproblematisch, weil damit das Kerngeschäft
der Geschäftsbanken, nämlich der Zinsgewinn eingebrochen
ist und auch bleibt und durch die Einlagenfazilität von -0,4
Prozent, die die Instituten zur Ausreichung von Geschäftskrediten
anhalten soll, entweder mehr Risiko im privaten Kreditgeschäft
eingegangen wird oder über den Weg der Notenbanken
bereitgestellte Gelder in andere Klassen angelegt werden, als die
beabsichtigten und so die Wirtschaft bei anhaltender Geldpolitik der
EZB partout nicht auf Touren kommen will; jedenfalls nicht dort, wo
das geschehen sollte, in den GISPIZ-Staaten.
Wie wir bereits
beschrieben haben, wurden die längerfristigen Kredite aus den
beiden LTRO Programmen I und II nun im LTRO III Programm ausgeweitet,
das ab 2019 bis 2021 laufen soll und die Kreditbilanzen der Eurozone
im Gesamt von öffentlichem und privatem Sektor über die 5
Billionen Euro Grenze treiben dürfte.
Wir können also
bis dato schon einmal festhalten, dass die These elf: Der Staat
kann Arbeitslosigkeit durch mehr Ausgaben beseitigen. Dazu braucht er
keine Steuern, sondern ein geeignetes fiskalisches Arrangement,
wenig zum Verständnis und anscheinend rein gar nichts zur
Besserung auf den Arbeitsmärkten der Eurozone beigetragen hat.
Das Beispiel Spanien zeigt im Gegenteil dazu eine ganz andere Seite der geldpolitischen Wirklichkeit der Eurozone. Die jüngste Wahl brachte das Ergebnis, dass gerade der Einzug rechtsnationaler Populisten wie etwa die Vox-Partei zwar nicht verhindert, aber doch auf einem erträglichen Niveau gehalten werden konnte. Vier Fünftel der Wähler stimmten für Parteien, die auf der Basis der Demokratie stehen und auch gegenüber Brüssel eine konstruktive Haltung einnehmen. Politische Stabilität in Spanien ist ebenso wenig selbstverständlich wie in anderen Ländern des südlichen Europas und umso bemerkenswerter, weil sich Spaniens Wirtschaft tendenziell nicht so schlecht darstellt.
Spanien ist beklagenswerter Weise das einzige südeuropäische Land, das sich seit dem Höhepunkt der Euro-Krise ökonomisch kräftig erholt hat, aber immerhin ein Land, dessen Wirtschaft mit den geldpolitischen Maßnahmen der Eurozone in den vergangenen vier Jahren mit durchschnittlich mehr als drei Prozent Wirtschaftswachstum jährlich und damit sogar deutlich über dem europäischen Durchschnitt gewachsen ist. Und, Spanien hat sich vielleicht am rigorosesten der Austeritätspolitik der EU unterworfen. Im Ergebnis und dies zählt sogar eine relativ kurze Zeitdauer, ist die Abhängigkeit vom ausländischen Kapital stark zurückgegangen. Spanien hatte wie alle anderen GISPIZ-Staaten gerade in dieser Abhängigkeit von ausländischem Kapital seine Achillesferse, die große Schwachstelle vieler Euro-Krisenländer, ohne Vertrauen der ausländischen Kapitalmärkte keine annehmbaren Refinanzierungskonditionen für ihre Staatshauhalte zu finden, deutlich verringert. Seit nunmehr sechs Jahren erwirtschaftet Spanien Leistungsbilanzüberschüsse und gleichzeitig erholte sich der traditionell wegen seiner strukturellen Schwächen träge Arbeitsmarkt spürbar. Die Arbeitslosenquote ist immerhin um gut zehn Prozentpunkte auf zuletzt zwar noch viel zu hohe 15 Prozent gesunken und diese Senkung kann durchaus als ein Trend betrachtet werden.
Trotz Austeritätspolitik, trotz Spardiktat
aus Brüssel, das eine extrem vorsichtige Fiskalpolitik zudem
noch nachdrücklich empfahl, zeigt der wirtschaftspolitische Kurs
auf der iberischen Halbinsel, dass nicht unbedingt die Ausweitung
fiskalischer Maßnahmen, sondern im Gegenteil sogar deren
Straffung im Verein mit einer gezielten geldpolitischen Solidarität
in der Eurozone zu besseren haushalterischen Effekten führen
kann, der die ausländischen Kapitalmärkte und die
Arbeitsmärkte positiv zu beeinflussen hilft.
Spanien kann
damit als ein Beispiel gelten, die Auffassung: Die heutige
Austeritätspolitik erhöht die Arbeitslosigkeit, zu
widerlegen. Und Spanien widerlegt zugleich auch die beiden weiteren
Thesen der MMT: Der Staat kann Arbeitslosigkeit durch mehr
Ausgaben beseitigen. Dazu braucht er keine Steuern, sondern ein
geeignetes fiskalisches Arrangement sowie: In der Eurozone
fehlt eine fiskalische Institution, welche die Arbeitslosigkeit in
schlechten Zeiten durch höhere Ausgaben bekämpft.
Die Situation ist natürlich nicht so positiv,
wie das erscheinen könnte, sehen wir nur auf das Zahlenwerk.
Rein vom Zahlenwerk her betrachtet, sind die USA durchaus als
geldpolitisch stabiler Währungsraum zu betrachten: Im November
2017 betrug die Staatsverschuldung insgesamt 20,5 Billionen US-Dollar
oder 106 % des Bruttoinlandprodukts, wovon die Fed mit 4 Billionen
Dollar eher den geringeren Teil davon verantwortet.
Demgegenüber
belief sich die Schuldenquote der Eurozone im 4.Quartal 2018 auf etwa
85% – zum Vergleich in der gesamten EU lag sie bei etwa 80%.
Also, alles in bester Ordnung? Nicht ganz. Wurden in den USA die
maroden Banken nach Ausbruch der Finanzkrise konsequent saniert,
teilweise sogar verstaatlicht, stürmt in Europa bei nur der Idee
einer Verstaatlichung von Banken zu deren Rettung, was deren spätere
Reprivatisierung einschließt, falls das Institut nicht besser
doch abgewickelt werden muss, jeder auf die Barrikaden. Schon der
Gedanke der Zusammenführung von Commerz und Deutscher Bank wurde
mit dem Argument abgewiesen, dass dabei ja Arbeitsplätze
verloren gehen würden und so beließ man es beim bisherigen
Siechtum, das den Vorteil hat, dass es etwa so funktioniert wie „Zeit
kaufen“, eine beliebte Politik-Strategie der deutschen
Kanzlerin. Stirbt was in Häppchen, ist das politisch
verdaulicher.
Dann unterscheiden die europäischen und die amerikanischen Volkswirtschaften auch so kleine Dinge wie, dass die USA in allen Bereichen der Zukunftstechnologie sowohl was die Unternehmen aber auch, was die Finanzierung angeht, weit vor der europäischen voraus sind. Und dann hat die US-Wirtschaft ja noch den Dollar.
Den Bürgern in Europa wurde von den Regierungen und der EZB das Märchen erzählt, der Bankensektor wäre heute viel stabiler als in den Jahren 2008/2009, als etwa Commerzbank und Hypo Real Estate mit erheblichen Steuermilliarden „gerettet“ werden mussten. Nur unbegrenztes Gratisgeld von der EZB, also zinslose Darlehn, Sondererlöse aus Beteiligungsverkäufen und ungewöhnlich niedrige Kreditausfallraten haben die Institute über Wasser gehalten. Wie an verschiedenen Stellen näher dargelegt, war aber diese niedrige Ausfallrate dadurch bedingt, dass die EZB Anleihen als Pfänder akzeptiert hat, die sie im Rating: „Ramschniveau“ in ihre Bücher als Sicherheiten übernahm. Ramschniveau ist ja bekanntlich eine nette Umschreibung von Pleiteunternehmen, von toxischen Krediten, mit denen sich die Banken in vielen Ländern Europas vollgesogen hatten, einmal, um den Geschäftsbetrieb formell aufrechtzuerhalten, einmal um mit den Krediten ihren Eigenkapitalanteil zu erhöhen und dann mit einem Faktor von bis zu dem 30-fachen dessen im Investmentbanking und auf den Kapitalmärkten der Welt die große Nummer zu drehen.
So wurde der private Sektor mit Geld aus dem öffentlichen Sektor unter Umgehung aller Marktmechanismen der Marktwirtschaft am Leben erhalten und mancher Euro-Banker im privaten Sektor hat sich jahrelang einen tiefen Schluck aus der Pulle des öffentlichen Sektors genehmigt. Aber schon geringste Zinssteigerungen sowie eine Normalisierung bei den Unternehmensinsolvenzen würden den Banken-Sektor atomisieren, auch, weil den Banken wegen der Geldpolitik der Notenbank mit ihren Minizinsen die Erträge wegbrechen, ja sogar das gesamte Geschäftsmodell virulent zu werden droht, in vielen Teilen schon ist.
Wenn die MMT davon spricht, dass wir keine Ersparnisse, sondern Kredite brauchen, um Investitionen zu finanzieren, klingt das naheliegend und überzeugend. Das gilt auch für eine sozial-ökologische Transformation und im Übrigen auch für alle anderen Formen der Transformation, dann ist aber ein privates, effektives Bankensystem notwendig, will man keine Geldversorgung nach dem chinesischen Modell akzeptieren. Mit einer Bankenkrise aber ist die Geldversorgung vom Interbankenhandel angefangen gestört und wenn die Kapitalmärkte sich sogar von der Staatenrefinanzierung zurückziehen, ist die Kapitalkette gleich an den ersten Gliedern gebrochen.
Wir haben gezeigt, was folgt, wenn in der Eurozone Leistungsbilanzdefizite nicht durch privates, ausländisches Kapital finanziert werden. Einen Teil dieses Defizits haben die Rettungskredite aus der Eurozone ausgeglichen und dieser Nettokreditzufluss kann als Target-Salden dargestellt werden, wobei zeit- und umfanggenaue Bilanzierungen aus den erwähnten Problematiken selbst bei einer doppelten Buchführung nicht exakt vornehmbar sind. Das ändert aber nichts an den Tatsachen, dass Staaten der Eurozone die durch die EZB veranlassten Geldschöpfungskredite ihrer nationalen Notenbanken für eigene Zwecke nutzen konnten und dass diese Nutzung zulasten des Solidaritätskonto der Eurozone ging.
Von diesem Solidaritätskonto flossen also Gelder zur Deckung der Leistungsbilanzdefizite einiger Euro-Staaten und ebenso von den Target-Konten, also letztlich von Geldern der EZB, die über die Notenbanken der Länder an die Geschäftsbanken gewährt wurden, flossen Gelder an die Schuldendienste für bereits bestehende, von ausländischen Kreditgebern gewährte Kredite. Deshalb, weil diese ausländischen Gläubiger, das waren zum Teil auch europäische Banken aus Frankreich, England und Deutschland, beim Schuldenstand der Schuldner keine Anschlussfinanzierungen mehr akzeptierten und schlicht ihre Kredite zurückforderten; weil sonst diese Institute auch in Bedrängnis geraten wären. So retteten europäische Kreditzusagen europäische Banken und Investoren und europäische Staaten aus einer Zinsfalle, die weite Teile des öffentlichen und des privaten Sektors der Eurozone in ziemlich üble Kalamitäten hätte bringen können.
Neben den Schwierigkeiten der beiden Sektoren muss noch darauf verwiesen werden, dass innerhalb des privaten Sektors stets wenn es zu einer Bankenkrise kommt, in Teilen der Bevölkerung ein Bank Run entsteht oder es zu einer Kapitalflucht kommt, die durch die Bürger der betroffenen Staaten und auch von privaten Institutionen wie etwa Versicherungen und Fonds usw. ausgelöst werden. Diese privaten, liquiden Eigentümer fliehen dann in fremde, sicherere Währungen, was die Devisenmärkte des klammen Staates belastet und sofort auf die Leistungsbilanz durchschlägt, oder in sicherere Häfen wie etwa Steueroasen sowie, je nach Marktlage, in Anlageklassen, etwa Gold oder Rohstoffe, die in Dollar gerechnet und gehandelt werden.
Auf einen Aspekt soll an dieser Stelle hingewiesen werden. Wenn Regierungen davon sprechen, dass wie im Falle der Euro-Krise zuallererst einmal Zeit gekauft wird, dann ist das zu den semantischen Verschleierungen zu zählen, die einen für die Bürger stets sehr kostspieligen Haftungstransfer, also einen Bail-Out auf privatwirtschaftlicher Basis verschleiern. In Europa war die Rettung des Euro von Anfang an so angelegt, dass europäische, also auch britische Banken und Privatinstitutionen die nötige Zeit bekamen, um ihre Geschäfte in Sicherheit zu bringen, was nichts anderes hieß, als dass es eine Zeit brauchte, bis die fiskalischen Maßnahmen des EZB-Rates zu greifen begannen, die dann überwiegend zu Lasten der Bürger der Eurozone gingen.
Konnte man im Zeitraum zwischen 2008 bis 2015 den
Abtransport griechischer Vermögen primär aus privaten
Konten europäischer Körperschaften beobachten, so waren
diese Transfers 2015 abgeschlossen und es erfolgten nur noch die
Abgänge aus privaten Sichteinlagen. Immerhin zählt Sinn
(2015, S. 289) 464 Mrd. Euro als Abgänge aus diesen beiden
Kontentypen und gibt auch einen luziden Einblick in die Wege, die das
Geld der Körperschaften genommen hat.
„Die lokalen
Banken liehen sich Geld von ihren nationalen Notenbanken und
verliehen es wiederum an andere Länder oder erwarben dort
Sachkapital. Ferner benutzten die Geschäftsbanken das von den
Notenbanken geliehene Geld, um Wertpapiere von heimischen Investoren,
typischerweise Staatsanleihen, zu kaufen, womit diese das Geld
erhielten, das sie dann ins Ausland überwiesen. Oder die Banken
liehen den Bürgern und dem Staat Geld, das anschließend
auf direktem Wege, oder, nachdem es zu Gehältern der
Staatsbediensteten geworden war, ins Ausland überwiesen
wurde.“(S. 289f.)
Die Wege des Geldes aus den GIPIZ-Staaten heraus waren virtuos, die Wege hinein weniger. Mit der Zweckvereinbarung Zeit zu kaufen, damit die europäischen Bankinstitute ihre Geschäfte in Sicherheit bringen konnten, haben die Regierungen der sog. Geber-Länder also durchaus egoistische Zwecke als Ziele definiert. Nichts desto trotz, es war ein Akt, eine Zeit der Solidarität mit den maroden Euro-Ländern, die mehr als die eigenen Institute von den Rettungs- und den anderen Kreditformen profitiert haben. Wie bei jeder zwischenstaatlichen wie zwischenmenschlichen Beziehung, die auf Solidarität beruht, stellt sich die Frage nach der Exit-Strategie. Wie lange und in welchem Umfang soll Solidarität gewährleistet werden, bis ihr Zweck, der Hilfe zur Selbsthilfe umschlägt in Abhängigkeit und Lethargie? Selbst habituelle Inszenierungen wie dies Italien in seinem Zynismus fast perfekt beherrscht, offenbaren doch in ihrer den Anstand beleidigenden Weise der beißenden Verspottung der Geber-Länder ihre wahre Herkunft, die peinliche Hilflosigkeit und Machtlosigkeit der eigenen Anmaßung.
Tatsache ist, dass mit den letzten Maßnahmen
der Eurozonen-Regierungen, die die Anschlussfinanzierung TLTRO III
betrafen, Italiens fiskalischer Spielraum erneut stark begrenzt
wurde. Wie das Chart2 zeigt, sind zwar die Mittel aus dem
TLTRO III Programm für Italien und Spanien in etwa gleich,
Spanien hat dabei aber den nicht unerheblichen Vorteil, dass es aus
der neuen Reihe vierteljährlicher, langfristiger Kredite nicht
mehr so viel braucht, bewegt es sich doch auf den letzten Abschnitt
seiner Staatssanierung zu, während Italien nicht einmal am
Anfang steht.
Beide, Italien und Spanien können, ohne dass
wir bislang die genaue Ausstattung der neuen TLTROs kennen, etwa 30%
ihrer Bestandsdarlehn zu den ungemein günstigen Sätzen des
Hauptrefinanzierungszinses bestreiten. Während Spanien
mittlerweile eine Staatsverschuldung von 98% des BIP ausweist, ist
die Staatsverschuldung Italien mittlerweile auf 131 Prozent des BIP
gestiegen; Italien hat also überhaupt keinen Anlass, zynische
Bemerkungen nach Brüssel oder Straßburg zu schicken.
Seiner Hybris wurde denn auch vom eigenen Volk eine
unmissverständliche Absage erteilt, als die Regierung eine
italienische ‚Volksanleihe‘ auflegte, die am Markt eine
krachende Ablehnung fand, wie übrigens Italiens Beschluss, jede
Haushaltsdisziplin aufzugeben von den Anlegern damit quittiert wurde,
dass sie ihre italienischen Staatsanleihen konsequent aus den Depots
warfen.
Italiens Populismus, den man verstehen muss als
wechselseitig gebilligten Betrug, wobei der Staat seine Bürger
mit Haushaltsschulden betrügt, um gewählt zu werden, und
der im Gegenzug seinen Bürgern erlaubt, ihren Staat um Steuern
und Abgaben zu betrügen, wenn sie zur Wahl gehen, wobei es ganz
gleich ist, wer sich zu Wahl gerade stellt, ist, wenn schon, dann
ähnlich dem Griechenlands; Spanier kennen diese Dialektik der
Macht nicht.
Italiens Bürger sind denn auch schnell auf der
Straße, sollte die Regierung an der harmonisch austarierten
Dialektik der Macht auf dem „Stiefel“ einseitig Hand
anlegen wollen. Staat und Bürger in Italien gehen ihrer Wege,
aber in den Schuhen des anderen und was das Fehlen an staatlicher
Wohlfahrt hier ausmacht wird unter Wahrung der Unantastbarkeit
privaten Eigentums dort kompensiert.
So gilt für Italien und damit als ein
Einzelfall, was die MMT als ihren festesten Grundsatz formuliert hat:
Die staatliche Verschuldung erzeugt in gleicher Höhe private
Vermögen. Wir vererben sowohl Schulden wie auch Vermögen an
zukünftige Generationen; der Leser ersetze bitte das „wir“
durch „Italien“ und es wird Sinn.
Als Teil der
Eurozone hat Italien schnell begriffen, dass mit Zynismus kaum ein
Weiterkommen möglich ist und den sog. Schwanz eingezogen und hat
sogleich zu den Forderungen des EU-Rates beigedreht. Besonders
schnell hat die italienische Regierung begriffen, dass sie auf die
fiskalischen Rettungskredite insofern angewiesen ist, als diese von
Brüssel veranlassten Überweisungen nicht nur den Papst bzw.
dessen Bank aus der Zinsfalle befreien, sondern diese sich direkt in
nomineller Guthabengröße auch senkend auf die
Target-Salden auswirken, was wiederum positive Effekte für
Italiens Banken und Institutionen hatte. Denn mit diesem Extraschuss
aus der Bottle verfügten auch Italiens Banken über so viel
Zusatzliquidität, dass die italienische Regierung dadurch wieder
über einen gewissen finanziellen Spielraum verfügen konnte,
weil Italiens Banken einen Teil ihrer Refinanzierungskredite bedienen
konnte und damit nicht nur Zinsen sparte, sondern auch das Zinsniveau
für Italiens Staatsanleihen sank und die Kapitalmärkte ein
wenig beschwipst und heiter darauf zugreifen ließ; wohl
bekomms; Salute!
Die Solidarität der Eurozone war also nicht ganz uneigennützig, was moralisch zu verstehen und aber auch ökonomisch sinnvoll gewesen ist. Die geldpolitische Umsetzung der Gegenmaßnahmen gegen den Liquiditätsverfall der Banken und damit auch der Wirtschaft in der Eurozone hatte, prima vista, zwar einen Forderungsanstieg der Geber-Länder zur Folge mit den unliebsamen Kollateralschäden der Kapitalflucht aus den Nehmer-Ländern, aber das war und ist nicht das folgenschwere Ergebnis der Target-Salden, die Sinn allein im Auge hat. Zwischen 2008 und 2019 hat sich die Transformation der Marktwirtschaft, auch in der Weise der deutschen Sozialen Marktwirtschaft hin zu einer Politischen Ökonomie vollzogen, die, wir unterstellen einmal, dass dies nicht beabsichtigt war von den politischen Entscheidungsträgern in Europa, aber doch mittlerweile im Ergebnis ‚temporär‘ an den Punkt einer Unumkehrbarkeit gekommen ist, die den Prozess der bürgerlichen Revolution, der mit der Renaissance begann und über die Französische Revolution in die bürgerlichen Gesetzbücher und politisch-demokratischen Prozesse fand, nun scheinbar historisch zu einer abschließenden Umkehr findet.
Was Politik aber unterschätzt hat, ist, dass
die Politische Ökonomie in Europa die finanzielle Solidarität
übertrieben hat, ohne zu einer politischen zu kommen. Nicht zu
wenig, zu viel an Geldtransfers sind freigegeben worden und nun
zeigen die Schuldenkonten immer öfter ihr unverschleiertes
Gesicht. Fiskalische Rettungskredite und der SMP haben die
Target-Schulden immer wieder umverpackt und so blieben die
Gesamtschulden und -forderungen einigermaßen verschleiert und
somit der Öffentlichkeit verborgen. Nicht nur, dass unter einem
nur teilweise gelüfteten Schleier nun die Phantasie blüht,
was alles noch ans Tageslicht kommen kann.
Krall spricht von
sagenhaften 3000 Milliarden Euro allein an deutschem Volksvermögen,
das auf dem Spiel steht, das zum großen Teil auf dem
Roulette-Tisch des europäischen Banken- und Arbeitsmarktes
eingesetzt wurde, nicht überall mit Erfolg. Das europäische,
aber vor allem das deutsche Bankensystem steht in Teilbereichen vor
dem Kollaps: die jüngste Geschichte der Fusionsverhandlungen
zwischen Deutscher Und Commerzbank mag ein Lied davon singen.
War
es das Ziel der EZB mit einer aus den USA importierten
Nullzinspolitik die Märkte und die Wirtschaft anzukurbeln, sind
die Ergebnisse in einigen Ländern der Eurozone durchaus
beachtlich, in anderen aber nicht und insgesamt mit eher schlechten
Aussichten bewehrt. Besonders der Bankensektor aber trägt
langfristig schwer an dieser Politik. Statt Stabilisierung haben die
geldpolitischen Beschlüsse und Brüsseler Irrfahrten der
letzten zehn Jahre zu einer fast nicht mehr aufzuhaltenden Erosion
der Erträge der Banken geführt, die sich zudem noch über
ein unbekanntes, aber beängstigendes Niveau an toxischen
Krediten, die in den Kreditbüchern der Geschäfts- und am
meisten der EZB schlummern, gelegt.
Kommt nun eine Zinswende, bricht nicht nur das Bankensystem zusammen, sondern auch der Arbeitsmarkt in einigen Ländern der Eurozone, nämlich in den Ländern, die die toxischen Kredite zu verantworten haben. Dann gehen zuerst all jene Unternehmen pleite, die durch diese Kredite zurzeit noch mühsam am Leben erhalten werden. Italien wäre längst schon Pleite gegangen, ohne die Politik in der EZB-Zentrale. Rechnet man also das Risiko Italien zu den bereits bestehenden öffentlichen Krediten aus Target und Finanzhilfen hinzu, erscheint eine Gesamtrisikosumme von 4,7 Billionen, davon 3 Billionen deutscher Risikoanteil, gar nicht zu hoch gegriffen. Natürlich sind spekulative Risiken nicht gleichzusetzen mit tatsächlichen Risiken, gleichwohl aber geben diese rein rechnerisch und bilanziell gemeinten Größen dem Solidaritätsaufwand ein konturierteres Gesicht.
Draghi und die Mehrheit im EZB-Rat verantworten bereits etwa 1000 Milliarden Euro, die von privaten deutschen Sparern und Bürgern ohne Sparvermögen als Solidaritätsbeitrag in die sog. Nehmer-Länder geflossen sind. Und wie es aussieht, geht das erst einmal so weiter. Und dabei haben Frankfurt und Brüssel sich einen sog. double bind begeben. Egal, was einer von beiden oder beide nun auch machen, das Risiko, dass die Geber-Länder auf riesigen Verlusten sitzen, die durchaus abgeschrieben werden müssten, kommt es zu einem europäischen Bankencrash, ist wie es ist. Zögen die Geber-Länder die Reisleine und ließen die Rettungskredite ohne Nachfolge auslaufen, war die Katastrophe perfekt, ziehen sie die Reisleine nicht, erledigen dies früher und später die Märkte.
Anfang 2019 werden Stimmen laut, die den europäischen Banken eine schlechte Zukunft attestieren. Denn einen Großteil, etwa 80 Prozent ihrer Erträge verdienen Europas Banken durch Zinsmargen, und dieses Geschäft bricht nun weg. Nicht nur, weil Draghi aus seiner Kreditklemme nicht mehr herauskommt, sondern weil auch die sog. FinTechs den etablierten Geschäftsmodellen der Banken ordentlich Wettbewerb machen. Die operativen Verluste lassen die Kapitalbasis der Banken schmelzen, das reduziert und begrenzt ihre Fähigkeit Kredite zu vergeben und dies wiederum lässt die Menge an Giralgeld schmelzen wie Eis im Hochsommer und insgesamt könnte sich in der Eurozone eine Phase der Deflation ausbreiten. Oder die EZB managet diese Gefahr präventiv und öffnet irgendwann ihre Geldtresore ganz weit und hat dann eine Hyperinflation am Hals, die ihre Politik in den hinteren Teil einer Sackgasse drückt und sie dort an der Mauer der Ausweglosigkeit erwürgt.
Glen Gould ... Bach, Goldberg Variationen - Aria
(Quelle Youtube)
Die Antwort auf das chinesische Modell – Teil I
Zugegeben, die Überschrift soll provozieren. So leicht lassen sich China und Europa nicht mit einan-der vergleichen. Aber in einer Hinsicht kann schon eine leichte, strukturelle Ähnlichkeit den Horizont erweitern auf einen Aspekt der europäischen Politischen Ökonomie, wie wir sie in geld- und wirtschaftspolitischer Hinsicht bis hierher besprochen haben, nämlich die Frage aus dem Blickwinkel der chinesischen Realität zu beantworten: wohin kann der Primat der Politik in ökonomischen Zusammenhängen Europa führen?
Wir gehen davon aus, dass ein so großer Wirtschaftsraum wie Europa, immerhin der größte und leistungsstärkste integrierte Wirtschaftsraum der Welt, seinen Anspruch in der Welt zu formulieren versucht. Dieser Anspruch ist von denen der USA und China nicht zu unterscheiden und bedeutet, die europäischen Vorstellungen einer global im Vergleich mit China und den USA gleichbedeutenden Wirtschaft durchzusetzen. Ohne eine militärische Bedeutung wird das für Europa sicherlich schwer, aber das bedeutet nicht zugleich, dass die Wirtschaftsinteressen deshalb nicht offensiv vertreten werden könn-ten.
Mit dieser Einleitung in eine globale Frage der
Vertretung wirtschaftlicher Interessen möchten wir den Blick
darauf wenden, dass das Zeitalter vorbei ist, als Politik allein die
Rahmenbedingungen für die Wirtschaft festsetzte und verteidigte
und, so wird allerorts kolportiert, ein global ausgerichtetes,
regelbasiertes, multilaterales System an Sanktionen einen
einigermaßen fairen, von den westlichen Ökonomien aber
dominierten Wettbewerb sicherte.
Alles dies aber hat die
Finanzkrise 2007/08 nicht verhindern können. Dafür hatte es
viele Gründen, von den wir die meisten besprochen haben. Auf
einen kommen wir an dieser Stelle zurück: die Bankenkrise. Sie
war institutionell betrachtet ein dramatischer Rückgang des
Interbankenhandels, weil eine Bank der anderen nicht mehr über
den Weg traute. Es begann, schneller und effektiver in den USA, auch
in Europa eine Regulierungsoffensive im Bankensektor; und wohin hat
das geführt? Die Banken in Europa sind zum Teil hochgradig
überreguliert und in weiten Teilen überhaupt nicht
reguliert, eine effektive Kontrolle findet nicht statt.
Was in Europa öffentlich schon belächelt mittlerweile noch Stresstest genannt wird, ist lächerlich. Was die europäische Bankenaufsichtsbehörde (EBA) als umfangreiche Stresstests, als Durchführung von Risikoanalyse-Systemen mit verschiedenen Szenarien vorstellt, will lediglich verschleiern, was die tatsächliche Situation im europäischen Bankensystem ist. Sie stellt das System der Banken insgesamt vor den Kollaps. Regulierungen und Stresstests erzeugen eine Illusion, die Vorstellung, vonseiten der Politik alles getan zu haben für die Sicherheit des Bankensystems. Politik hat so geschickt den Blick auf die Institute gelenkt und damit von der Zinspolitik der EZB abgezogen. Unterziehen wir nur oberflächlich diese Zinspolitik einem simplen Stresstest, wird das ganze Ausmaß des Versagens der Politischen Ökonomie deutlich.
Wie in der internationalen Finanzkrise schienen kurz vor deren Ausbruch die einzelnen Institute gut aufgestellt. Bis man bemerkt hatte, das bei der Krise ein systemischer Faktor ausschlaggebend war, der alle Banken an den Abgrund zog. Heute ist es nicht anders; in Europa nur ein wenig mehr dramatisch. Die Zinspolitik in Europa hat das europäischen Bankensystem drastisch destabilisiert. Die Über-Solidarität mit den südeuropäischen Ländern und Irland war nur mit dieser Null-Zinspolitik zu erreichen, hat aber dazu geführt, dass den Geschäftsbanken auch denen in den Geberländern eine, die tragende Säule ihres Geschäftsmodells bis auf den Grund gestutzt worden ist. Europäischen Banken sind tief miteinander vernetzt, deshalb ist die Rede von Geber- und Nehmerländern im Zusammenhang mit Banken nur heuristisch zu verstehen, um besser die Prozesse beschreiben zu können, die zu diesem, in Wahrheit riesigen Klumpenrisiko geführt haben.
Je mehr die Politik also in die Solidarität mit den Nehmer-Staaten investiert hat, umso mehr nahmen die Kollateralschäden dieser Politik zu. Die haben sich nun zu einer Instabilität im Bankensystem aufgetürmt, dass leichte Erschütterungen bereits das Kartenhaus zum Einsturz bringen können. Die Geldströme, die in Frankfurt veranlasst wurden und in die Nehmer-Länder flossen, haben weit mehr Schaden angerichtet, als Sinn z.B. berechtigter- und richtigerweise nominell beziffert. Target- und Fiskalkredite haben nicht nur in Deutschland zu einem gewaltigen Zinsausfall für private Einlagen bei Banken und Versicherungen geführt. Auch sind die Ausfallrisiken derart gestiegen, dass deren Höhe kaum ein Politiker seinen Wählern mehr anzeigen kann. Wir haben gezeigt, dass hier bereits ein struktureller Wandel sich vollzogen hat, derart, dass z.B. traditionelle Formen der Altersversorgung und Familienabsicherung in Deutschland auf lange Sicht nicht mehr funktionieren, was z.B. auch dazu geführt hat, dass die Preise bei den Mieten deutlich, in den Städten und deren „Speckgürtel“ drastisch angezogen haben.
Zu den systemischen
Kollateralschäden kommen die direkten, politischen Schäden
noch hinzu. Das sind die Wendung zu Nationalismus und Populismus wie
auch der Brexit in GB und Donald T. in den USA; letzterer ist auch
ein „Produkt“ der Nullzinspolitik der Fed. Schlussendlich
hat diese Politik weite Bereiche marktwirtschaftlicher Mechanismen
strukturell und unumkehrbar verändert. War die sog. Agenda 2010
eine Antwort auf die schwierigen Verhältnisse der Wirtschaft in
Deutschland, die ihre Wettbewerbsfähigkeit durch zu hohe
Lohnnebenkosten und durch einer, zur Inflexibilität erstarrten
Arbeitsmarktpolitik verloren hatte, zeigt sich heute unter dem
hinzugekommenen Faktor langanhaltender, niedriger Zinsen drastisch
das ganze Ausmaß des Schadens, den Politik im Sektor Ökonomie
damit angerichtet hat.
Denn zunehmend öfter stellt sich bei
dem ein oder anderen aus Politik und Wirtschaft die Systemfrage. Die
wird fast ausschließlich an der Ungleichheit der Verteilung
wirtschaftlichen Wohlstand entzündet, hat aber die Lunte an
einem ganz anderen Fass mit hochexplosivem Sprengstoff. Nach
Schumpeter hat der Prozess der kreativen Zerstörung, Disruption,
einen jährlichen Austausch im Unterneh-menssektor von ein bis
zwei Prozent zur Folge. Die Unternehmenspleiten haben sich daran
gemessen fast verdoppelt, nimmt man die neuesten Entwicklungen in die
Hochrechnung für die nächsten Jahre; Tendenz steigend.
Während also
die Insolvenzen zunehmen und übrigens die Neugründungen
nachlassen steigt unverhältnismäßig stark die Zahl
der Unternehmen, die trotz roter Zahlen ihren Geschäftsbetrieb
nicht eingestellt haben. Als sog. Zombie-Unternehmen gelten laut
einer Studie der Wirtschaftsauskunftei Creditreform 6,8 Prozent der
Firmen in Deutschland3 ,
die also durch die Nullzins-Subvention der EZB künst-lich am
Leben erhalten werden, weil sie ihre Kapitalkosten nicht mehr
verdienen müssen. Wenn man auf diese Weise Pleiten verhindert,
bindet man immer mehr Ressourcen in schlechten Unternehmen und lässt
sich einen „Markt“ ausbreiten, der nicht mehr durch die
marktwirtschaftlichen Mechanismen geregelt wird.
Diese
ungeregelten Märkte mit nicht-wettbewerbsadäquaten Preisen
und problematischen Abgabestrukturen, vor allem, was die
Sozialsysteme betrifft, schädigen also nicht erst bei einer
Pleite die Volkswirtschaft, sondern lange vorher bereits die
Unternehmen, die als sogenannte Zombies die Kreditbücher der
Banken durchgeistern1.
Der Zuwachs an solchen Zombie-Unternehmen ist auch
ein Indikator für die Zunahme des systemi-schen Risikos im
Bankensystem. Die Zahlen, die für Deutschland gelten dürften
gerade in den sog. Nehmer-Ländern noch deutlich höher
ausfallen. Alle Zombie-Unternehmen aber sind Kreditnehmer, sonst
wären sie ja nicht mehr am Leben. Und wie im echten Leben ist
der künstliche Aufwand bei unheilbaren Krankheiten umso größer,
die Zombies brauchen besonders oft und viel Kredit und diese
Kreditsumme steht dann als verdecktes Risiko in den Kreditbüchern
der Banken.
So sehr die Eurozone also auch Zeit gekauft hat, nun
kommt sie aus den systemischen Risiken nicht mehr so einfach heraus.
Wenn die Zombies Pleite gehen, stehen Millionen Erwerbstätige in
ganz Eu-ropa und in Deutschland vor allem die mit Zeitverträgen
zuerst auf der Straße. Die Rettung des Ar-beitsmarktes ist
somit, anders als die MMT verbreitet, mit einer Geldschwemme aus dem
öffentlichen Sektor nicht unbedingt zu erreichen.
Nominell wird die Summe der faulen Kredite in Europa vom IWF auf knapp 1 Billion und von den Wirtschaftsprüfern der KPMG auf 1.300 Mrd. Euro geschätzt. Und dabei sind diese Zahlen keine gra-duellen Risikoabschätzungen, sondern betreffen Kredite, von denen man ausgehen kann, dass sie bereits heute im laufenden Schuldendienst nicht mehr bedient werden können; schlicht gesagt, das Geld ist weg. Das ist das eine. Ein anderes ist, dass diese Billion nicht in den Büchern der Bank als abgeschriebene Position auftaucht, sondern dort als Forderungen stehen, als könnten die jemals bedient werden und den Banken damit die Möglichkeit offenhalten, mit diesem Anteil am Eigenkapi-tal weiter zu spekulieren. Und ein drittes, nicht mindern systemrelevantes Phänomen ist, dass diese Firmen gegenüber ihren Wettbewerbern nur durch Bilanzbetrug bzw. durch Insolenzverschleppung im Markt bleiben und damit eine der grundlegenden wirtschaftsjuristischen Bedingungen im Wettbewerbsrecht außer Kraft gesetzt ist.
Bilanzbetrug in Absicht der Insolvenzverschleppung
ist kein Pappenstiel, weil keine Marktbereinigung stattfindet,
sondern umgekehrt eine Beschädigung solventer Unternehmen, die
dadurch in eine Schieflage gezogen werden, weil ihnen Umsätze
entgehen. Und schlussendlich ist wie immer der Verbraucher auf
vielfache Weise geschädigt, wenn Arbeiten dann nicht ganz
ausgeführt werden, wenn Qualitäten und Garantien nicht
eingehalten werden usw.
Dass dabei auch das Rechtsempfinden aller
Marktteilnehmer schweren Schaden nimmt, weil instituti-onelle
Aufsichten einfach wegschauen und nichts gegen diese Banken und
Zombie-Unternehmen tun, wird schnell ersichtlich.
Ein Jahr noch
bis Ende 2019 sitzen zwei Italiener an der Spitze des europäischen
Bankensystems, neben Draghi seit Januar der Absolvent der
Eliteuniversitäten Bocconi und Cambridge, Andrea Enria, als Chef
der EZB-Bankenaufsicht. Gewählt wurde er mit den Stimmen der
südeuropäischen Vertreter im EZB-Direktorium, wo die zwei
kleinen Staaten Zypern und Malta auf-grund des
Einstimmigkeitsprinzips doppelt so viele Stimmen wie Deutschland
haben. Enria hatte sich als Leiter der Europäische
Bankenaufsicht (Eba) in London mit allem anderen als mit Ruhm
bekleckert, als er sich mit der Organisation der ersten europaweiten
Stresstests als total überfordert outete und mit seinem
Vorschlag zur Lösung der europäischen Bankenkrise 2018 bei
den EU-Finanzministern regelrecht abgeblitzt ist. Sein Vorschlag,
eine europäische Bad Bank zu gründen, die den Geldhäu-sern
ihre faulen Kredite abkauft und an private Investoren weitergibt,
zeigt aber, wie schwer die Risi-ken im Bankensystem wiegen.
Ein wenig leichter machen konnte der Neue an der Spitze dieses Problem aber schon mal, insofern nach seinen Berechnungen das Volumen der faulen Kredite im Euroraum sich ’nur‘ auf 657 Mrd. Euro beläuft. Wie dem auch sei, ob IWF, KPMG oder Eba, das Problem ist gewaltig, und es ist systemisch. Dafür spricht auch der Vorschlag, eine Bad Bank zu gründen, was nichts anderes bedeutet, als dass man es durch Marktmechanismen im Rahmen zyklischer Veränderungen nicht mehr glaubt, lösen zu können. Die Eba sieht sich also vor einem Prozess stehen, der enorme Fehlentwicklungen, gewisser-maßen einer negativen Gentrifizierung der Marktwirtschaft in Europa hervorbringt, wehrlos gegenüber.
Kommen nun also zu den mindestens 657 Mrd. an faulen Krediten jene noch hinzu, die sich Jahr für Jahr aufs Neue ergeben und die bereits ausgefallenen Zinseinnahmen sowie die Target Kredite und fiskalischen Rettungsschirme, dann summiert sich das Problem, das aus politischem Handeln entstan-den ist, auf eine Summe, die das Eigenkapital der europäischen Banken weit übersteigt und dabei ist der mögliche Schaden, den die wahrscheinlich über 200.000 Zombie-Unternehmen im Falle einer tat-sächlichen Einstellung ihrer Geschäftstätigkeiten verursachen, noch nicht einmal mitgezählt. Dann sprechen wir also nicht mehr über eine Bankenkrise, sondern bereits über eine Finanzkrise, also von einer strukturellen Gesamtverschiebung des Risikos aus dem Sektor der öffentlichen Finanzen und der der Körperschaften hin in den der Steuerzahler.
War der Steuerzahler bislang direkt nur durch entgangene Zinsen betroffen und indirekt durch aus-geblieben Investitionen des Staates und der Kommunen in den öffentlichen Bereichen, vor allem bei Infrastruktur etc. so trifft ihn jetzt das gesamte Risiko. Kommt es tatsächlich zum Ausbruch einer Krise im Bankensektor, wird die sehr schnell zum Dominoeffekt und bereits sich aus in die Staatsfinanzen, in den Arbeitsmarkt, in die Währungsreserven wie in die Börsen. Dann beziffert sich jeder Versuch einer Rettung von sektoralen Krisen um ein Vielfaches, um ein grenzenloses Umsichgreifen zumindest eindämmen zu können. Das Risiko beziffert sich dann mindestes um das Doppelte, es geht auch höher.
Die Griechenlandkrise hat ab dem Datum der festgestellte Pleite des griechischen Staates gezeigt, welchen Weg das Risiko nehmen kann und zu welchem Gesamtrisiko sich systemische Risiken auf-entwickeln können. Zuerst wurde Geld zur Verfügung gestellt und Zeit gekauft, damit die Banken und das griechische Kapital den Weg ins Ausland und andere Anlageklassen finden konnte. Wenn also eine Krise droht räumen auch vermögende Privatpersonen ihre Bankkonten, um Geld ins Ausland zu schaffen und z.B. in Berlin am boomenden Wohnungsmarkt zu verdienen, indem Griechen dort Im-mobilien kauften. Dies zwang die griechischen Banken, die Lücken, die nun das abziehende Kapital hinterließ durch Refinanzierungskredite wieder aufzufüllen, die sie bei der griechischen Notenbank so großzügig bekamen wie die EZB dies ihrerseits großzügig gestattete; diese Nettigkeiten hatten den Namen ELA-Kredite.
Nun ist das System Banken nicht nur dazu da, Geld herauszugeben und Lücken zu schließen, so funk-tioniert das System nicht. Was auch privaten Eigentümer in solch einer Situation nicht entgeht ist, wie leicht es ist, verkauft man z.B. seine Staatsanleihen und beleiht sofort wiederum seine gerade neu erworbene Immobilie, um sich gleich noch eine zweite und vielleicht noch eine dritte zuzulegen, was noch mehr Gelde von Athen nach Berlin auf den Weg schickt. Dann sind auch die ausländischen Notenbanken, also etwa die deutsche, gezwungen, die griechischen Konten aufzufüllen und ihren griechischen Eignern damit weitere Kreditspielräume zu eröffnen, die diese wiederum für weitere Käufe ausländischer Vermögensobjekte und Wertpapiere nutzen. Das Karussell gewinnt an Drehbe-schleunigung, die Kasse freut sich und schnell dreht sich das Fahrgeschäft im Vollbetrieb, über sitzen die Fahrgäste und freuen sich ob der Fliehkräfte riesig.
Das Karussellgeschäft ist nämlich ein
richtiges Karussell. Gehen die Griechen mit ihren Geldern nach Berlin
und kaufen dort in großer Zahl Immobilien, zieht es die
Deutsche Bundesbank nun nach Athen, wo sie großzügig
Target-Kredite vergibt. Sinn weist darauf hin, dass „genau
genommen investiert die Bundesbank in des EZB-System, die dann selbst
in Griechenland investiert, was die Haftung für Target-Kredite
im Eurosystem vergemeinschaftet.“(2015, S.297)
Sieht man
also das Ganze als ein systemisches Phänomen, dann versteht man
schnell, wenn in einem Staat, etwa in Griechenland, das Bankensystem
in die Insolvenz geht, gehen auch die Notenbanken anderer Staaten ab
einer gewissen Schuld- bzw. Forderungssumme in die Insolvenz. Wenn es
also aufgrund der Übersteigerung der Forderungen über das
Eigenkapital zu Insolvenzrisiken kommt, können die Geber-Banken
weder von der griechischen Regierung noch etwas bekommen, weil
schlicht und einfach auch der Staat Pleite ist, noch von den
Privateigentümern, weil nun der Bestand an griechischen
Wertpapieren und Hypotheken nicht mehr Bestand griechischer Banken
sondern ausländischer Banken ist, da die neuen Vermögen ja
im Ausland erworben wurde.
Wir erkennen hier auch ein typische Krisenparadox.
Zuerst haben die griechischen Privatvermögen-den ihre Vermögen
an griechischen Anleihen an den griechischen Staat verkauft, also
Vermögen liquidiert. Denn nur so kommen sie an das Geld, das sie
ins Ausland transferieren wollen, um damit ausländischen
Vermögensbesitz aufzubauen. Warum hat das dem griechischen Staat
nicht gehol-fen?
Es hat geholfen, aber eben nur sehr kurzfristig.
Solche ‚Rettungsaktionen‘, die eine Regierung beson-ders
gerne vor Wahlen oder Neuwahlen durchwinkt, lassen sich gut für
Wahlkampfzwecke nutzen, finden dann auch sogleich sehr große
Aufmerksamkeit und Sinn nach der Wahl dann auch ebenso schnell aus
dem öffentlichen Diskurs wie von den Bühnen der Geldmärkte
verschwunden. Das ist ein nachvollziehbarer Grund, warum sich solche
Phasen gerne auch mal länger hinziehen, als von den Geldgebern
gewünscht und nötig ist. Zum Krisen-Paradox gehört
auch, dass es sich politisch unge-mein leicht verwertbar macht und
eben auf eine paradoxe Weise. Die griechische Regierung konnte
wählerwirksam die Kapitalflucht anprangern und sich selbst so
darstellen, dass sie allein die Kapitalflucht durch
Kapitalverkehrskontrollen begrenzen bzw. stoppen könnte und
damit das Anwachsen der Schulden Griechenland in patriotischer Weise
abzuwenden versucht; dann werden Neuwahlen ausgeschrieben, um vom
Volk in höchst demokratischer Manier sich die Legitimität
einzuholen, ge-gen Kapitalflucht und Austeritätspolitik
vorzugehen.
Während die Regierung also damit hausieren ging, dass den Griechen Geld und Lebensstandards verloren gehen, passierte gleichzeitig just das Gegenteil. Der Lebensstandard der besser gestellten bis vermögenden Griechen wurde für die Zeit nach der akuten Krise nachhaltig gesichert, der der griechischen Bürger durch ELA-Kredite auf einem Mindestmaß aufrechterhalten, durch anschließenden Fiskalkredite langfristig auf Jahrzehnte hinaus vor einer Totalpleite und damit von unabsehbaren Notsituationen bewahrt und die Staatsfinanzen so weit in Ordnung gebracht, dass ein Grexit keine Option mehr war.
Das Paradoxe daran ist, dass die Geldgeber nun ihrerseits diese stark vereinfachte und für sie schädigende Darstellung eines tatsächlich doch massivst profitierenden Mitglieds der europäischen Staa-tengemeinschaft unwidersprochen hinnehmen müssen, wollen sie die eigenen Ziele, die Bewältigung der Euro-Krise, die sie aber auch allein zu verantworten haben, behindern. Syriza mit Tsipras war in dieser Situation insofern am längeren Hebel, als eine Situation eingetreten war, entweder Zipras und Varoufakis ein paar Monate so zu akzeptieren oder den Grexits, den die Geldgeber aber auf keinen Fall wollten, vorzubereiten; mit Ausnahme des deutschen Finanzministers Schäuble, wie damals kolportiert wurde.
So setzte sich auch aufseiten des EZB-Rates die Geschichte des Krisen-Paradox fort, derart, dass der Rat durchaus in der Lage gewesen wäre, die Kapitalflucht der griechischen Privatvermögen, die ja ganz zulasten des Euros gingen zu verhindern und nicht mit ELA-Krediten für die griechische Notenbank, also Zusagen für Notfallkredite in dem Ausmaß, wie Kapital aus Griechenland abfloss zu kompensieren. Hätte der Rat dies beizeiten beschlossen, hätte die griechische Regierung etwa sechs Mo-nate früher Kapitalverkehrskontrollen einführen müssen, was sicherlich zugleich auch ihr Ende eingeleitet hätte. Der Rat aber mit den Stimmen der südeuropäischen Länder hat eine solche Überlegung im Kern und von Anfang an blockiert und damals war auch schon klar, dass nach Griechenland Italien sich den Staaten anschließen würde, die auf Rettungskredite aus dem europäischen Bankensystem würde angewiesen sein, und Frankreich die Defizitkriterien wohl wieder einmal nicht würden erfüllen können.
Die EZB ist also nicht unabhängig. Und sie kann ihre Aufgaben, die Geldstabilität zu garantieren, so nicht erfüllen. Das ist aber keine Neuigkeit und ursächlich mit der Eurokrise verbunden. Die EZB mani-puliert die Märkte schon mehr als zwanzig Jahre. In ihrem Rat ist das strukturell so angelegt. War die Idee der Gleichberechtigung der Staaten, also keine Diskriminierung nach Größe, Wirtschaftskraft oder Bevölkerungsanzahl etc. eine konstitutiv gute und richtige Idee, ist deren Wirklichkeit voll an sich selbst gescheitert, weil ihre Entscheidungsstrukturen prädestiniert sind, vernünftige Ziel zu verhin-dern und Partialinteressen durchzusetzen. Wenn eine Situation eintritt, dass, aus welchen Gründen auch immer, Staaten in Finanzschwierigkeiten kommen, wird eine Verweigerung von Solidarität, also das No-Bail-Out Prinzip eine Farce.
Das bedeutet aber nichts anderes, als dass über die EZB die geld- und wirtschaftspolitische Autonome der Euro-Staaten ausgehöhlt und mittlerweile in eine geldpolitische Transferunion umgewandelt worden ist. Regierungen bestimmen damit über das wirtschaftliche Geschehen im Gemeinsamen Markt der EU und im Geldsystem der Eurozone mit. Im Gemeinsamen Markt mag das in Grenzen noch angehen, im Geldsystem nicht. Denn wenn das Euro-Geldsystem nicht mehr funktioniert, stehen nicht nur der aktuelle Krisenkandidat vor der Pleite, sondern auch alle anderen Staaten, deren Weg zurück an die Kapitalmärkte nicht längst abgeschlossen ist und wieder das Vertrauen der Anleger und Investoren herrscht. Und auch Geber-Länder können in enorme Kalamitäten kommen, da in allen Krisenstaaten mittlerweile eine schier unbegrenzte Anzahl von Zombie-Unternehmen entstanden sind, deren Pleiten das Geldsystem und das Finanzsystem der Eurozone insgesamt bedrohen.
Das Target-System, also der grenzüberschreitende Zahlungsverkehr der EZB mittels dem sich die Euro-Notenbanken gegenseitig und fast unbegrenzt Liquidität zusichern, käme in diesem Fall einer systemischen Zahlungsschwierigkeit sofort an seine Grenzen und würde zusammenbrechen; für Deutschland müssten etwa 1 Billion Euro abgeschrieben werden, was die Bilanz der Bundesbank nicht verkraften, das Target-System aussetzen und die Geschäftsbanken lahm legen würde. Im Falle einer systemischen Pleite, bei der mehr als ein Euro-Staat betroffen wäre, z. B. wenn Italien in solche Schwierigkeiten geriete wie Griechenland, wären in Summe allein in Deutschland Berichtigungen im Umfang einiger Billionen Euro fällig. Je nach Rechenart wären das Stand heute zwischen 1300 und 675 Milliarden Euro an Target-Salden, einige Hundert Milliarden an ESM-Krediten und noch einmal etwa 1500 Milliarden an Euro-Anleihen, welche Volkswirtschaft soll dies verkraften? Und weil die EZB einen Haufen Schrottanleihen in ihren Büchern führt, ist sie eigentlich heute schon ohne Eigenkapital eine Zombie-Bank. Aber das ist in Zeiten wie heute kaum noch ein Hindernis, so weiterzumachen.
Ein kurzer Blick zurück und auf die
italienische Bankenkrise, die ja eigentlich noch gar nicht so
richtig, offiziell bestätigt, ausgebrochen ist. Wir erinnern an
die beiden Regionalbanken Banca Popolare di Vicenza und Veneto Banca,
die 2017 auf Anordnung von Brüssel abgewickelt wurden, weil sie
als nicht systemrelevant eingestuft worden waren. Beide Institute
sind weg vom Markt und haben relativ geräuschlos ihren Schaden
dem italienischen Steuerzahler übertragen.
Ein wenig
geräuschvoller ging es bei der staatlichen Lösung der
systemrelevanten Krisenbank Monte dei Paschi zu, die 2016 vor der
Pleite gerettet worden ist. Ganz nach dem nun bekannten Muster, hat
die EU-Kommission der Rettung der Bank mit Staatsgeldern zugestimmt
und so wurde aus einem Privatinstitut ein Staatsinstitut, in dem das
Wirtschafts- und Finanzministerium zum Großaktionär in
Sienas altem Bankenstolz aufgestiegen ist.
Hier wurde also zunächst einmal wieder Zeit
gekauft, um mit Staatsgeldern Privatinsolvenzen zu verhindern und
zwar so viel Zeit wie nötig ist, um nach der Phase der
Kapitalflucht in ausländische Märkte und Währungen das
Institut wieder zu reprivatisieren.
Aktuell steht die italienische
Regierung vor dem Fall der tief angeschlagenen Regionalbank Carige,
die anscheinend auch ein systemisches Risiko in sich trägt,
jedenfalls eins, das ausgereicht hat, um den US-Vermögensverwalter
Blackrock davon zu überzeugen, die Gespräche mit der Bank
aus Ligu-rien und der italienischen Regierung, die sich hätte an
der Übernahme bzw. Rettung zum größten Teil hätte
beteiligen sollen zu beenden.
Aus Brüssel und aus Italien hört man wie
immer, man arbeite in diesem Falle natürlich an einer privaten
Lösung, aber wer im Markt wagt nun sich an einer anstehenden,
notwendigen und teuren Kaitalerhöhung zu engagieren, nachdem
Blackrock der Kapitalwelt gerade eine vernichtende Due Diligence hat
zukommen lassen?
Da ist es doch höchst wahrscheinlich, dass
erneut ein Bankeninstitut einer staatlichen Lösung wie im Falle
Monte dei Paschi zugeführt werden muss, wenn das Urteil des
Marktes eindeutig negativ ist. Wenn also kein Privatinvestor gefunden
wird, wird wohl die Zustimmung der EU-Kommission für eine
Rekapitalisierung der Bank eingeholt werden. Und die EU wird die
Zustimmung erteilen, denn sie hat ja unbemerkt von der Öffentlichkeit
im Dezember 2018 die Zwangsverwaltung der Bank übernommen,
nachdem der Großaktionär Vittorio Malacalza, der 27,6
Prozent der Anteile, also eine Sperrmi-norität mit Vetomandat
hält, einer Kapitalerhöhung von 400 Millionen Euro nicht
zugestimmt hatte. Wie soll man das anders verstehen, wenn der
Großaktionär sich von der Stange macht, als dass die Bank
pleite ist und eine private Rettung aussichtslos.
Für die italienische Regierung aus Populisten und Tricksern ist die Öffentlichkeit, die sich natürlich nun mit dem Rückzug von Blackrock laut und deutlich eingestellt hat, ein Schlag ins Kontor bzw. in die Ambitionen von Salvini vor und nach der Europawahl. Denn nun ahnt, weiß vielleicht sogar der italienische Steuerzahler und Europawähler, dass die Banca Carige wie die Monte dei Paschi, die Banca Popolare di Vicenza und die Veneto Banca sowie zahlreiche andere, klammheimlich verstaatlichte oder abgewickelte Institute sowie die, die kontinuierlich auch in 2019 auf ihn zurollen werden, nun in sein Ressort fallen; der italienische Steuerzahler wird nicht schadlos daraus entlassen, der europäische übrigens auch nicht.
Machen wir uns also nun die Berechnungen von Sinn zunutze und skizzieren wir eine Struktur, die offensichtlich bei jeder Eurozonen Rettung einer privaten Körperschaft unter systemrelevanten Ge-sichtspunkten zum Vorschein kommt. Sinn berechnet am Beispiel Griechenlands, dass „ein gutes Drittel der vom Eurosystem und der Staatengemeinschaft gewährten Kredite für die Finanzierung der griechischen Lebensstandards während der Krise, ein gutes Drittel für die Auszahlung ausländischer Gläubiger (und damit für die Finanzierung eines überhöhten Konsums in der Vorkrisenzeit) und ein knappes Drittel für die Kapitalflucht von Griechen ins Ausland verwendet wurde.“ (2015, S. 298f)
Diese
Zwei-Drittel-Ein-Drittel-Struktur verteilt also das Gesamtrisiko
einer systemischen Rettungsaktion so, dass die Bürger des
betroffenen Landes nachträglich für den Anteil, den der
private Konsum an den Staatschulden verursacht hat, bei ihren
ausländischen Gläubigern entschuldet werden. Den
aus-ländischen Gläubigern wird Zeit eingeräumt, ihre
nicht mehr eintreibbaren Forderungen, die ja in Wahrheit
Vermögenswerte, Sachwerte, Immobilien, Wertpapiere,
Beteiligungen etc. sind, abzuziehen und ins Ausland auf andere
Kapitalmärkte und Investitionsmärkte zu verlagern.
Den
inländischen Kapitalgebern und Körperschaften wird
strukturell desgleichen zu Teil und übrig bleiben fast nackte
Sichteinlagen, also eine stark schrumpfende Giralgeldmenge, die das
tragende Gerüst aber jedes Geschäftsmodells von privaten
Bankinstituten bildet. Diese schrumpfende Giralgeldmenge muss nun in
der Eurozone verstaatlicht, also ausgeglichen werden, ebenso wie die
Kapitalflucht, die die Tar-get-Salden in die Höhe treibend als
Forderungen gegen den betroffenen Staat erhöhen, ob sie nun
eintreibbar sind oder nicht.
Dann bilanziert sich diese Struktur so, dass die Bürger des betroffenen Staates de jure zwar die gesamten Transfers verschulden, aber nominell ’nur‘ ein Drittel davon de facto von ihrem Lebensstandard in Abzug gebracht wird. Dieses Drittel ist für die Bürger, die keine Kapitalien im Ausland haben und von dem leben, was der Staat noch herzugeben in der Lage ist, eine massive Einschränkung und dazu kommt noch die bilanzierte Dauerschuld, die z.B. bei jedem einzelnen Bürger Griechenlands bei über 80.000 Euro liegt. Reichen Griechen macht das wenig, aber allen anderen doch erhebliche Sorgen. So wurden die griechischen Renten bereits um über 60 Prozent gekürzt, weitere Kürzungen stehen noch an.
Laut Studie aus 2018 sind die Einkommen der Griechen auf den Stand von 2003 gefallen, was für etwa 40 Prozent der griechischen Bevölkerung bedeutet, dass sie von Armut und sozialer Ausgrenzung bedroht sind. Die Arbeitslosenquote liegt bei etwa 21 Prozent, bei Jugendlichen sieht es noch schlimmer aus. Unter dieser Gruppe, die statistisch unfassbare und durch keine ökonomische Fehlentwicklung allein verursachte 45,4 Prozent umfasst, zählen die statistischen Ämter mittlerweile 300.000 junge und zumeist qualifizierte, beziehungsweise hochqualifizierte Menschen, die das Land bereits verlassen haben; ein Aderlass, den kein Land ver-kraften kann, wenn so viel junge Menschen bei der Erneuerung und beim Aufbau eines Landes feh-len; Griechenland allein, ohne Mitglied der EU zu sein, ist ein Land ohne Zukunft.
Die Staatsverschuldung liegt nominell bei ungefähr 330 Mrd. Euro, knapp über 180 Prozent der Wirt-schaftsleistung. Die eingeleiteten, drakonischen Sparmaßnahmen innerhalb der Austeritätsvorgaben der EU haben bislang noch nicht gegriffen, trotzt eines Schuldenschnitts im Jahr 2012 und einer Reihe von Privatisierungen, darunter die prominente Privatisierung des Hafens von Piräus in chinesische Hände, liegt die Verschuldungsquote wieder fast so hoch wie vor dem Schuldenschnitt 2012. Wir haben detailliert nachgezeichnet, dass sich die Schuldenlast mit dem Schuldenschnitt zwar kurzfristig verringert, aber seitdem wieder erhöht hat; die griechische Wirtschaft hat sich also noch nicht erholt und die griechische Regierung noch nicht ihre Ausgabenpolitik konsolidiert und das Vertrauen der Kapital- und Finanzmärkte zurückgewonnen.
Eines der
großen Missverständnisse ist zu meinen, Grie-chenland wäre
mit Geld überflutet worden und dieses Geld müsste doch der
Wirtschaft spürbar zugutekommen. Tatsache ist, Griechenland
wurde als Teil der Eurozone so weit konsolidiert, dass ein Austritt
vermieden werden konnte. Dafür wurden Banken und Vermögenswerte
gerettet und ein mi-nimaler Lebensstandard der Bürger über
eine kurze Zeit aufrechterhalten. Die Konsolidierung von Staat und
Wirtschaft war damit nicht erreicht und eine Erneuerung von Staat und
Wirtschaft ist Sache der griechischen Gesellschaft.
Zu dieser
Erneuerung gehörte die Erneuerung der mittlerweile
konsolidierten, griechischen Bankenlandschaft.
Die befindet sich
nun natürlich in einem äußerst besorgniserregenden
Zustand. Betrachtet man nur die sogenannten „non-performing
loans“ (NPLs), d.s. die Kredite, welche seit mehr als 30 Tagen
nicht mehr bedient werden, dann muss man feststellen, dass die NPLs
48,5 Prozent aller Kredite bei griechischen Banken ausmachen.
Das ist ein Zustand, den man sich kaum vorstellen kann und der schier aussichtslos für eine Erneuerung erscheint. Vergliche man Griechenland mit den USA dann stünden hier im Dezember 2018 1,6 Prozent bzw. im März 2019 3,8 Prozent an Non Performing Loans Ratio der griechischen gegenüber.
Aber nicht nur die Quote der NPLs spielt eine
Rolle, sondern auch deren Struktur. So waren im ersten Quartal 2018
knapp 43,9 Prozent der Immobilienkredite, 57,2 Prozent der
Konsumentenkredite und 49,6 Prozent der Unternehmenskredite
„notleidend“, also per definitionem perdu. Jeder zweite
Kredit im Bereich der griechischen Körperschaften resp.
Unternehmen deutet eine Zahlungsunfähigkeit an, fast jeder
zweite Immobilienkredit und mehr als jeder zweite Konsumkredit.
Da
stellt sich natürlich die Frage, was in Griechenland vor
Ausbruch der Krise im Bankensektor geschehen ist. Wie wir oben
bereits festgestellt haben liegt die Schlussfolgerung nahe, dass
griechische und europäische Banken mit Immobilien und
Konsumentenkrediten hemmungslos ohne Risikoaversion Geschäfte
gemacht haben, die den Griechen einen Lebensstandard ermöglichten,
der jahrelang über einem Drittel höher lag als ihre
Wirtschaftsleistung. Und es ist länger schon allseits bekannt,
dass dies eine Struktur ist, die von Banken nach politischer
‚Freigabe‘, also ohne begrenzende Verordnungen und
Kontrollen nur allzu gern umgesetzt wird.
Ohne Regulierungen entstehen in Märkten
solche Boomphasen nicht von allein. Immobilienblasen sind deshalb so
attraktiv für private Käufer wie für Banken, da sie
eine hohe Investitionssumme voraussetzen, die bei niedrigen Zinsen
sowohl für Käufer wie für Finanzierer sehr attraktiv
sind. Entspre-chend gerne werden auch Konsumentenkredite vergeben und
aufgenommen, sind Zinsen ein zu vernachlässigender Faktor. So
druckte Griechenlands Notenbank Jahr für Jahr mehr Geld, um die
Nachfrage aus dem Immobiliensektor zu befriedigen, vor der Krise den
heimischen, in der Krise den ausländischen. Und es ist eins der
vielen Paradoxe, dass ausgerechnet Griechen in Berlin und in der
bulgarischen Grenzregion an der Auslösung eines Immobilienbooms
beteiligt waren.
Während also Griechenlands Banken ihre
Risken erhöhten durch Kredite an Verbraucher und Unternehmen,
die keiner marktwirtschaftlichen Kontrolle im Sinne einer
angemessenen Eigenbeteiligung und Risikoaversion, sprich
Zinsausstattung unterlagen, stiegen die Preise bei Konsumgütern
und Immobilien auf ein Niveau, das 20 bis 30 Prozent über den
Einnahmen aus der griechischen Wirtschaft lag.
Dass irgendwann
einmal eine Wertberichtigung durch die Märkte stattfinden würde,
wusste die griechische Regierung; wenn nicht, umso schlimmer.
Jedenfalls heizte sie den Boom in südländischer
Leidenschaft am schönen Leben kräftig an. Vorübergehend
beseitigte der griechische Staat bzw. die Politische Ökonomie in
Griechenland durch Mehrausgaben die bestehende Arbeitslosigkeit. Sie
erreichte das nicht auf der Basis ihrer Wirtschaftsleistung und damit
von Steuereinnahmen, sondern durch kurzfristig geeignete, fiskalische
Arrangements und politisch gebilligte Deregulierungen, vor allem bei
den privaten Kreditvergaben.
2011 durfte die Eurozone dann den Beginn einer Krisenphase erleben, der weit tiefer und einschnei-dender war, als jene, da Spanien und Italien als Krisenstaaten noch nicht vollständig auf der Bühne erschienen waren. 2011 stand das europäische Experiment kurz vor dem Aus. Und dabei waren die Rahmenbedingen in Spanien und Italien nicht die gleichen. Bei den Target-Salden waren sie ähnlich in den Jahren zwischen 2008 und 2011. Das bedeutete auch, dass beide Länder den Schock der internationalen Finanzmarktkrise einigermaßen leicht weggesteckt hatten. Spaniens Notenbank hatte Target-Schulden von etwa 45 Mrd. Euro in Anspruch genommen, Spaniens Leistungsbilanz summierte sich auf ein Defizit von 210 Mrd. Euro, was bedeutete, dass Spanien bei einem BIP von 1.643 Mrd. Euro in 2008 und 1.490 in 2011 zwar einen Rückgang zu verzeichnen hatte, der aber im Rahmen der Gesamtauswirkung in Europa lag und der nur zu einem Anteil von etwa einem Viertel durch zusätzliche Staatsschulden gegenfinanziert werden musste. Anders als in Griechenland und zuvor in Irland und Portugal finanzierten also drei-Viertel des Leistungsbilanzdefizits die privaten inländischen Anleger und die ausländischen Kapitalmärkte.
Der erste Hinweis auf eine Staatsschuldenkrise in Italien 2011 war ein Schock, gleichwohl Italiens Rahmenbedingungen ungleich besser als die Spaniens waren. Italiens Bürger verfügten über ein Vermögen, welches 40 Prozent über dem der deutschen Bürger lag. Italiens Wirtschaft, insbesondere die in Norditalien war eine der produktivsten Volkswirtschaften in Europa und an Italiens Staatsschulden hatte die Welt sich über die Jahrzehnte lange Dauer hinweg bereits gewöhnt, zumal der Außen-anteil auch mit unter 30 Prozent relativ moderat war, war dies auch weder schwer noch verwunderlich.
Warum die ausländischen Kapitalmärkte 2011 und vollends dann 2012 Italien das Vertrauen entzogen, lässt sich schwer nachvollziehen. Mit rein realwirtschaftlichen Gründen ist nicht zu verstehen, warum die Zinsspreads für italienische Anleihen plötzlich anzogen und im Zuge dessen schnell eine nach der anderen ausländischen Bank ihre Investments aus Italien abzogen; wahrscheinlich waren auch strategische Portfolioumschichtungen und Risikominderungen an diesem Prozess beteiligt. Jedenfalls wurde der Refinanzierungsbedarf immer großer und zugleich teurer und je größer und teurer er wurde, desto steiler verlief Italiens Schuldenaufnahme exponentiell ins Plus. So weit, dass der damalige Regierungschef Berlusconi über den Austritt Italiens aus dem Euro verhandelte mit dem Ergebnis, dass er zurücktreten musste und das Schicksal des griechischen Regierungschefs Papandreu teilte.
2011 konnte man erkennen, dass die Eurokrise keine Ursache in den Staatsschuldenkrisen Irlands und Spanien hatte und durch Immobilienblasen allein angetrieben worden wären. Gerade der Fall Italiens müsste die MMT zu nochmaligem Nachdenken bewegen, sehen wir doch Italiens Immobilien-markt unberührt und die Wirtschaft insgesamt stark. Natürlich wusste jeder in und außerhalb Italiens, dass die ständige Alimentierung des Mezzogiorno auf Dauer nicht gelingen kann; aber warum der Ausbruch der Krise jetzt? Die sizilianische Mafia und die kalabrische Ndrangheta waren auch alte Phänomene und was neben Korruption und Filz an italienischen Besonderheiten der Politik imponierte, allesamt fast so alt wie Italien und die römische Kirche selbst, können den Vertrauensverlust gerade im Jahr 2011 nicht erklären. Innerhalb kürzester Zeit wurde Italien von einem Geber- zu einem Nehmer-Land und der Refinanzierungsbedarf stieg mit dem Abzug ausländischen Kapitals in schwindelerregende Höhen.
In Italien war der Auslöser der Krise eine ‚vollendete‘ Konstellation, der Kulminationspunkt bzw. Wen-depunkt einer ganzen Versammlung verschiedenen Prozesse, die in der internationalen Finanzkrise und auch davor schon begonnen hatten und die in unterschiedlichen Geschwindigkeiten fortschrit-ten. Die Leistungsbilanz Italiens verringert sich 2008 bis 2009, stieg wieder, verringerte sich bis auf ein Niveau 2015, welches mehr als 30 Prozent unter dem in 2008 lag. Diese Phase finanzierte Italien durch Staatskredite aus dem Notenbankfundus, gleichzeitig mit dem Schuldenanstieg floh ausländische Kapital aus den italienischen Märkten, was eine Erhöhung der Staatsschulden nach sich zog. Was an Kapital seit 2008 noch auf die italienischen Märkte geflossen war und den Krisenprozess einigermaßen aufhalten konnte, wurde durch den Kapitalabfluss überkompensiert, so dass unter dem Strich ein dickes Minus übrig blieb.
Wenig verwunderlich war, dass irgendwann auch die Staatsschuldenkrisen, die sich in anderen Kr-senländern der Eurozone angesammelt hatte, zu denen Italiens und Spaniens von den Finanzmärkten und den Kapitalmärkten aufaddiert wurden. Wenn beide Formen der Refinanzierung von Staat und Wirtschaft, also die kurz- und langfristige Bewirtschaftung mit Geld und Vermögenstiteln nicht mehr reibungslos terminlich und nach dem tatsächlichen Finanzbedarf eines Landes funktionieren, sind Krisen unabwendbar.
Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass in
diesen Prozess der kurz- und langfristigen Finanzierung von Staat und
Wirtschaft durch private Gläubiger die Rettungspolitik durch die
EZB, also die Um-schuldung von privaten Kapitalien in öffentliche
nicht nur formal ein Gläubiger-Wechsel von privat zu öffentlich
darstellt. Für die Märkte bedeutet die Transformation der
marktwirtschaftlichen Prozesse mehr als nur eine Adressänderung.
Die Finanz- und die Kapitalmärkte bewegen sich normalerweise
komplementär zueinander. Der Bedarf an langfristigen
Kapitalmarktprodukten entwickelt sich wie in einem atmenden
Organismus auf- und abschwellend in einem Finanzmarkt, der die
kurzfristige Liquidierung langfristiger Vermögen übernimmt,
wenn hier der Bedarf ansteigt. So bewegt sich der Aktienmarkt in
prospektierten Zeiten von Aufschwüngen auch schneller und
stärker, während der Anleihemarkt dann zurückgeht, das
Geld von hier zum Kapitalmarkt wandert.
Sind die Mechanismen von
Finanz- und Kaptalmärkten durch die Notenbanken, hier die EZB,
gestört, hat das enorme Auswirkungen.
Das „what ever it
takes“ signalisiert den Märkten mehr als deutlich, dass
die Notenbank davon ausgeht, dass die Wirtschaft eines Landes allein,
aus sich heraus mit den Mitteln des Marktes den Prozess Richtung
Abschwung und Krise nicht mehr allein bewerkstelligen kann. Das
Notenbank-Votum ist daher auf der einen Seite ein ultimativ negatives
Urteil und andererseits die Bereitschaft, mit allem, was eine
Notenbank zur Verfügung hat, gegen die Krise anzutreten.
Auf den Finanz- und
Kapitalmärkten, so das Kalkül, soll sich trotz Krisenvotum
die Bereitschaft durchsetzen, Vermögen zu investieren, was in
der Regel auch nach ein paar Jahren gelingt, wobei niemand weiß,
ob nach einer langen Zeit die Märkte auch ohne
Notenbankintervention das ‚geregelt‘ hätten,
sicherlich zu einem hohen Preis an Wohlstandsverlust und Beschädigung
der staatlichen Wohlfahrtsysteme.
Wenn also in einer Phase, die
auf einen Wendepunkt im Finanz- und im Kapitalbedarf gleichermaßen
zuläuft, eine Notenbank interveniert, interpretieren die Märkte
sowohl den kurzfristigen wie den lang-fristigen Kapitalbedarf
positiv. Das bedeutet natürlich auch positive Aussichten für
hoch spekulative Anlagen, für Hochzinsanleihen4 ,
bei denen es meistens um Unternehmensanleihen handelt. Weniger
spekulative Anleger werden sich zurückhalten und warten, bis
erneut ein Wendepunkt sichtbar wird, dann nämlich, wenn die
Intervention der Notenbank wieder abnimmt.
Auch hier begegnet uns das Paradox, dass eine
Notenbank durch ihre geldpolitischen Interventionen einen
Krisenabschwung aufzuhalten versucht, aber zugleich mit an der
Kapitalflucht verstärkend beteiligt ist. Damit nicht genug;
während die Notenbank nun der Krise geldpolitisch begegnen muss,
muss sie noch mehr Geld in die Märkte pumpen, um die Lücken,
die durch Kapitalflucht und auch durch die defensive Zurückhaltung
der Kapitalmärkte gerissen wurden, notdürftig zu
stopfen.
Für die Märkte ist also das forcierte Auftreten
der Notenbank keine positive Nachricht, wie auch, bestätigt die
Geldpolitik doch die prognostizierten Geldproblem in Staat und
Wirtschaft, auch in diesem Punkt wäre ein wenig nachhelfende
Vertiefung in die Sachverhalte der Finanzmärkte für die MMT
vorteilhaft. Wen die Notenbank dann von den Märkten anlockt,
sind gerade jene Glücksritter, die so schnell gehen, wie sie
kommen. Sind an beiden Zinsenden die Schwierigkeiten sichtbar, können
und dies vor allem bei den Devisen auch der Markt gegen eine Währung
spekulieren. Diese Währungsspekulationen aber sind für die
Staaten der Eurozone keine Bedrohung, da der Währungsraum zu
groß ist für solche Avancen.
Zählen wir den Eingriff der EZB in die Finanzmärkte mal zusammen, dann summieren sich allein bis ins Jahr 2017 die Vergemeinschaftung der privaten und der öffentlichen Schulden über die LTRO-Programme zu rein öffentlichen Schulden auf über 1.300 Millionen Euro. Diese Summe ist also von der Marktwirtschaft in die Politische Ökonomie geflossen und dieser Geldfluss in die Portemonnaies der Eurozonen-Bürger hatte noch eine ganze Reihe weiterer Effekte, ist aber auch in dieser noch lange nicht bedrohlichen Schuldensumme für die Gläubiger, für die Bürger des Euros von immenser Bedeu-tung. Ist es wirklich nicht verständlich, gleichwohl in der Sache völlig unrichtig und problemlösungsfern wie irgendetwas außerhalb unserer Milchstraße, wenn die Bürger der EU sich nun mehr zu nationalstaatlichen Lösungen oder Versprechungen nationalistischer und protektionistischer Provenienz hingezogen fühlen? Der Brexit und Donald T. verdanken diesen Vorgängen ihre Popularität. In den USA der Fed, in Euro-pa der EZB.
Mit den dreijährigen Refinanzierungskrediten
aus den LTRO-Programmen, die zu den extrem günstigen
Konditionen, die kein anderer Staat außerhalb der Eurozone,
keine Volkswirtschaft solo bekommen hätte, wurden zwar
einerseits Verbindlichkeiten von ausländischen
Bankenbeteiligungen und Käufen von inländischen
Staatsanleihen und Wertpapieren – bezogen auf Italien und
Spanien – getilgt, und gleichzeitig hatte die geldpolitische
„Dicke Berta“ sowohl in Spanien wie auch in Italien die
Kapitalflucht kurzfristig für ein paar Wochen kompensiert, aber
letztlich die Kapitalflucht sogar verstärkt, obwohl sie
eigentlich gegen die Kapitalflucht bzw. deren Begrenzung angetreten
war.
Selbstverständlich fragt man sich, warum die EZB sich in
solche geldpolitischen Paradoxien begibt? Das ist zuerst ein
politisches Defizit. Von ihrer Gründung an war die EZB nicht als
„lender of last resort“, als Kreditgeber letzter Instanz,
eingesetzt, der auf jeden Fall für die Sicherheit von
Staatsanleihen ga-rantiert. In Frankfurt residiert aber keine
wirklich unabhängige Notenbank in diesem Sinne, sondern sie ist
von den Beschlüssen im Europäischen Rat, also von den
Regierungen abhängig. Was das be-deutet, konnte man sehen, als
die Bundesregierung einige Monate zögerte, um die griechischen
Staatsanleihen zu garantieren und daraufhin das Land kurz vor einen
Grexit gebracht hatte.
Zwar kann eine Reform der obersten europäischen
Bankeninstitution mit einem Artikel der die Unabhängigkeit der
EZB in ihren geldpolitischen Entscheidungen nicht die wirtschafts-
und fiskalpolitischen Aufgaben in den Euroländern ersetzen, das
Paradoxon der EZB, ständig als Element einer Politischen
Ökonomie missbraucht zu werden, wäre damit aber weitgehend
aus dem Weg geräumt.
Deshalb vertreten wir die Meinung, dass
das Krisenjahr 2011 für Spanien und Italien nicht hauptsächlich
durch Entwicklungen in der Realwirtschaft, die sich dann in
Leistungsbilanzen beschreiben bzw. darstellen lassen, ausgelöst
worden ist. Zwar verlieren Länder bei steigenden Schulden stets
an Wett-bewerbsfähigkeit, zwar hatte die Immobilienblase in
Spanien einen Punkt erreicht, der notwendig die Hypothekendienste zum
Platzen brachte und deren Schäden heute noch, fünfzehn
Jahre danach, an vielen Stelle im Lande und seinen Inseln sichtbare,
stumme Zeugen an Immobilienruinen zu besichtigen ist. Zwar war der
Zweifel angestiegen, dass sich die Realwirtschaften der beiden Länder
würden in überschaubaren Zeiträumen nachhaltig erholen
können, waren doch die Wertpapierbestände in den Banken
nicht mehr risikoadäquat zu den Ausfallrisiken bei Hypotheken
und Unternehmenskredi-ten. Und selbst die ersten Notfallkredite, die
den Wert des Wertpapierbestandes kurzfristig erhöhten, konnten
das Misstrauen der Finanzmärkte nicht mehr abmildern. Es kam zum
Vertrauensverlust und zu den kaskadierenden Effekten, die das
Vertrauen der Investoren schwer beschädigte.
Die EZB sah sich gezwungen, mit einer extrem
expansiven Geldpolitik zu intervenieren. Italien, vor der Krise sogar
nur wenig berührt durch die weltweite Finanzkrise, akkumulierte
Schulden in Höhe von insgesamt mehr als 250 Mrd. Euro binnen
drei Jahren, ohne Eigenanteil an den Target-Salden, in Höhe von
knapp 180 Mrd. an Nettoschulden bei der Euro-Staatengemeinschaft. Zu
den EZB-Schulden und anderen Verbindlichkeiten gegenüber den
Euro-Staaten kamen noch 50 Mrd. an SMP-Schulden hinzu und die
Mehrausgabe an Banknoten machten Italien zu einem Schuldner gegenüber
Staaten der Eurozone, die für mehr als die Hälfte aller
italienischen Auslandsschulden gegengezeichnet hatten.
Spanien
erwachte 2015 mit knapp 150 Mrd. an Verbindlichkeiten gegenüber
den Euro-Staaten und zeichnet, gemessen an der aktuellen
Leistungsbilanz etwas über 11 Prozent, Italien etwas unter 13
Prozent an Verbindlichkeiten gegenüber seinen Euro-Partnern.
Diese Zahlen hätten niemals die Fi-nanzmärkte so sehr
abgeschreckt, dass eine Refinanzierung auf den privaten Geldmärkten
nicht mehr möglich gewesen wäre; schwierig vielleicht, aber
durchaus lösbar als Mitglieder im Euro.
Man kann es drehen
und wenden, wie man will, diese Zahlenstatistik sagt wenig über
die wirklichen Verhältnisse aus, die uns interessieren. Wenn im
Falle Italiens etwa 15 Prozent aller Nettoauslands-schulden gegenüber
den Euro-Ländern und für Spanien entsprechend elf Prozent
zu Buche schlagen, trägt dies wenig zu Beurteilung bei, welche
Effekte tatsächlich die Politische Ökonomie in beiden
Ländern verantwortet.
Betrachtet man die Staatsschuldenentwicklung in der Eurozone, dann ergibt sich ein recht unterschiedliches Bild schon für Spanien und Italien.
Der Anstieg in Spanien müsste wesentlich besorgnis-erregender sein als der in Italien, zugleich aber wird Spanien nicht zu Unrecht eine bessere Prognose bei der Konsolidierung von Haushalt und Wirtschaft zu Teil. Die Versorgung Spaniens mit Geld der EZB ist ein Faktor, ein zweiter die konsequente Durchführung der Austeritätspolitik, die im Kern als Reform des Fiskalwesens von Spanien betrachtet werden darf. Ein dritter Faktor ist die auf die gesamte Euro-zone bezogenen Geldpolitik der EZB, und hier entstehen jene Impulse, die wir als Politische Ökonomie bezeichnet haben und die den Verlauf der Entwicklung der Eurozone und darüber hinaus von ganz Europa maßgeblich beeinflussen. Diese Impulse sind Finanzmarktimpulse, mithin vergleichbar mit der chinesischen Geldpolitik, die die chinesische Wirtschaft und große Teile der weltweiten Exportwirtschaft beeinflusst, aber mit dem Unterschied, freier Wechselkurse gegenüber dem US-Dollar.
Die Antwort auf das chinesische Modell – Teil II
China flutet seine Wirtschaft mit Geld. Europa seine Regierungen. Und die USA werden mit Geld aus aller Welt geflutet. Das sind die aktuellen Bedingungen für wirtschaftliches Wachstum in den drei großen Wirtschaftszonen der Welt. Japan haben wir vergessen zu erwähnen, Japan verbrieft private Vermögen in Staatsanleihen. Wir erkennen, Geld scheint im Überfluss da zu sein. Aber dieser Eindruck verstellt den Blick, den Blick auf eine Vielzahl von Transformationen. Uns beschäftigt an dieser Stelle nur eine, die Transformation der Marktwirtschaft in eine Politische Ökonomie. Nun unter dem Aspekt, dass durch den Druck des Wettbewerbs aus China, die westlichen Ökonomien einschließlich der Japans und Südkoreas in einen Wettbewerb untereinander geraten sind.
In einem gewissen Sinne sind die großen Wirtschaftsräume der Welt in einem ‚Krieg der Sterne‘ angekommen, bei dem es nicht mehr und primär um die Wirtschaft der einzelnen Staaten bzw. Staatengemeinschaften geht. Ganz allgemein gesprochen geht es wieder um die Systemfrage, wie dies während der Zeit des Kalten Kieges geschah. Heute aber ist nicht mehr der „Sieg“ der Marktwirtschaft gegenüber kommunistischen bzw. sozialistischen Systemen der Staats- bzw. Planwirtschaft das alles überragende politische Kalkül, heute geht es um die Politische Ökonomie als solche und die Frage, welche Form der Politischen Ökonomie sich weltwirtschaftlich relevant durchsetzen wird. Eine staatlich gelenkte wie in China, eine von Kapitalmärkten dominierte wie in den USA, oder eine multilaterale wie in Europa.
Es ist deshalb nicht unnütz, die Entwicklung dieser Systeme der Politischen Ökonomie in den USA und in Europa unter dem Gesichtspunkt deren wirtschaftlicher Triebkräfte sich zuerst anzuschauen. Die allgemein vorherrschende Vorstellung der politischen Administration in den USA bezüglich der Triebkraft der US-Wirtschaft ist das bereits große und weiterhin wohl noch zunehmende Leistungsbilanzdefizit der US-Wirtschaft. Dieses Ungleichgewicht wird mathematisch bezogen auf die Weltwirtschaft und mit dieser mathematischen Bezugsgrößen erscheint das US-Leistungsbilanzdefizit verursacht durch gravierende Ungleichgewichte der wichtigsten Handelspartner der US-Wirtschaft. Deutschland hat aus Sicht der USA einen viel zu großen Handelsüberschuss und rein rechnerisch ist der sogar größer, als das, was die deutsche Wirtschaft für den Binnenmarkt erzeugt. Die USA sind somit größter Handelspartner Deutschland noch vor Deutschland selbst.
Zwei weitere Ursachen für das Defizit der USA sind aus deren
Sicht das Weltwährungssystem und vor allen Dingen der
chinesische Renminbi, der politisch gewollt, keinen freien
Wechselkurs mit dem US-Dollar eingeht, und das weltweite
Finanzsystem. Folgen wir diesem Gleichgewichtsansatz, dann besteht
das US-Defizit bereits seit Anfang der 1990er Jahre. Seitdem steig
das US-Defizit, das fast ausschließlich auf eine Defizit in der
Handelsbilanz beruht, also auf wesentlich höhere Ein- statt
Ausfuhren.
Bereits im Jahr 2007 lag das Minus bei rund 800 Mrd.
US-Dollar oder 5,7 % des US-Bruttoinlandsprodukts nach 6,2 % im Jahr
davor. Die Finanzierung des Defizits erfolgte damals wie heute durch
Nettokapitalzuflüsse aus dem Ausland, also durch einen gleich
hohen Überschuss in der Kapitalbilanz5 ,
wenn man von Entnahmen aus den Devisenreserven absieht, die in den
USA aufgrund des US-Dollars als weltweite Währungsreserve keine
Rolle spielen. Hinter den Kapitalzuflüssen stehen vor allem
Wertpapierkäufe von Ausländern in den USA, ausländische
Direktinvestitionen in den USA, ausländische Kredite an
amerikanische Kreditnehmer und Anlagen von Währungsreserven
ausländischer Notenbanken, vorzugsweise in US-Schatzanweisungen.
Infolge der Leistungsbilanzdefizite wurden die USA zum größten
Nettoschuldnerland der Welt. Bereits seit 1986, also mittlerweile
mehr als dreißig Jahren, übertreffen die Verbindlichkeiten
gegenüber dem Rest der Welt die Forderungen an das Ausland. 2005
lag der Nettoschuldenstand bei ca. 22 % des BIP. 2018 betrug die
Schuldenquote über 105% vom BIP.
Wir sehen uns mit einem weiteren Praradox konfrontiert, dass nämlich das reichste Land der Erde in hohem Maße von Geld aus dem Ausland lebt.
Alle, Bürger und Staaten wollen den USA Geld geben, natürlich nicht für umsonst. Aber besonders aus Schwellenländern und China, das einige noch dazu zählen, kommen große Summen in die Staaten. Das ließ die USA zur Wirtschaftslokomotive der Welt werden und dies hauptsächlich deshalb, weil die USA konsumieren. Sie kaufen Waren aus aller Welt mit dem Geld, das man ihnen gibt. So ist der Geld-Ware-Kreislauf ein einfacher. Der Rest der Welt schickt Geld, damit die USA damit Waren einkaufen und zwar mehr Waren, als sich die Bürger der Vereinigten Staaten aus den Einkünften aus dem Warenhandel der USA mit dem Rest der Welt leisten könnten. Gegenüber der Eurozone allein hat diese geld-finanzierte oder transaktionsbasierte Wirtschaftskraft6 etwa den doppelten Wert im Vergleich zum Handelsvolumen.
Sinn (2015) weist zurecht darauf hin, dass mit den Target-Salden diese transaktionsbasierte Wirtschaftskraft zwischen den Geber- und den Nehmer-Staaten einen erheblichen Teil des Zahlungsbilanzdefizits ausmacht. Dieses Defizit aber wird sowohl von Sinn als auch vom IWF laut beklagt, was unter einer eingeschränkten Sicht auch zulässig ist, den jeweiligen realwirtschaftlichen Zusammenhang mit den Weltwährungs- und Finanzsystemen aber nicht abbildet. Und es ist dabei zu beachten, dass die transaktionsbasierten Wirtschaftsprozesse sowohl für Import- wie für Export-dominante Volkswirtschaften gelten. In kooperativen, also globalisierten Wirtschaftsprozessen werden sie ungleich schwieriger zu erfassen.
Seit mittlerweile mehr als zehn Jahren erlebt die Weltwirtschaft parallel zum Anstieg des Leistungsbilanzdefizits der USA den größten Wachstumsboom seit den 1960er Jahren. Niemand verschwendet heute einen Gedanken daran, dass die USA in Zahlungsschwierigkeiten kommen könnte. Das schien bislang hochverschuldeten Entwicklungsländern vorbehalten zu sein, bis die Griechenlandkrise die Investoren eines anderen belehrte und mit Italien ein noch größerer Un-Fall bei transaktionsbasierten Wirtschaftsprozessen eintreten könnte. Die Besonderheit in der Eurozone besteht dann darin, dass das Eurosystem es erlaubt, sowohl die interne, also innerhalb der Eurozone erwirtschaftete Zahlungsbilanz wie auch die esterne, also auf die Außenwirtschaft der Eurozone bezogene Bilanz auszugleichen. Sinn verweist darauf, dass das „Geld, das die eigene Notenbank herstellt und verleiht, kann in beliebige Länder der Welt überwiesen werden, um dort Waren und Vermögenswerte zu erwerben.“ (Sinnn 2015, S, 315f)
Bleibt die Frage, ob diese transkationsbasierten
Wirtschaftsprozesse insgesamt riskanter werden und Korrekturen
erforderlich machen? Nun wird bereits hier deutlich, welche
Auswirkungen auch kleiner Korrekturen an diesem System haben würden.
Wenn also die auf finanziellen Transaktionen basierende
Wirtschaftskraft der USA ein globales Ungleichgewicht anzeigt, wird
eine Korrektur dann die Weltwirtschaft ins Chaos stürzen oder
belebend darauf wirken?
Wir haben bereits darauf hingewiesen, dass
dieses Ungleichgewicht oder die asymmetrische Struktur, die sich in
den Zahlungsbilanzdefiziten durch die asymmetrischen Strukturen der
Produktionsweisen innerhalb der USA bedingt sind, die zu sehr auf
anbieterorientierte Produktion setzen mit den Folgen einer
Oligopolisierung der Wirtschaft, auf einer ebenso ungeordneten
Globalisierung der Finanzmärkte, sowie einer nicht mehr
adäquaten Weltwährungsordnung. Alles dies hat zur Folgen,
dass marktmäßige Korrekturmechanismen innerhalb der
unterschiedlichen Formen der Marktwirtschaft, wenn überhaupt
noch, nur spät bzw. verspätet, dann aber krisenhaft sich
auswirken. Und darauf antworten viel zu ohnmächtige und
unterausgestattete Institutionen wie der IWF zwar mit multilateralen,
international koordinierten Gegenmaßnahmen, die aber die
Ursachen der Krisen höchsten abmildern, aber strukturell nicht
beheben können; zudem droht Amerika mit dem Ausstieg aus den
internatuionalen Institutionen.
In einer bilateral geordneten Wirtschaft spielt die Währung eine gewichtige Rolle. Währungen, vor allem der Wechselkurs des US-Dollars, hat seit 1992 die Handelsbeziehungen zwischen den USA und Deutschland, Japan usw. maßgeblich beeinflusst. Beits im Jahr 1980 kam die Zahlungsbilanz in ein massives Ungleichgewicht, als der US-Dolllar stark aufgewertet wurde gegenüber den Währungen der US-Handelspartner, also zwangen die Aufwertung schlussendlich zu einer ebenso drastischen Abwertung von etwa dreißig Prozent, zu sehen am Währungspaar US-Dollar/Deutsche Mark, die auf einen Stand von 3,47 im Jahr 1985 stieg, um zehn Jahre danach auf DM 1,34 wieder zu fallen. Solche massiven Wechselkursänderungen, also instabile Wechselkurse beeinträchtigen den Außenhandel und die Weltwirtschaft mehr, als andere Faktoren, heute mehr denn je, ist der Wechselkurs doch der zentrale Referenzpunkt für Handelsprozesse, mithin Güter- und Kapitalbewegungen. Und nicht vergessen werden darf bei allen mathematischen Gleichungen das Ungleichgewicht innerhalb dieser Relation von Güter- und Kapitalbewegungen, die für sich allein im weltwirtschaftlichen Ausmaß den Faktor 1:6, ohne die nicht erfassten Transaktionen aus Steueroasen u.a. hat.
Bleiben wir bei dieser bi-relationalen Betrachtung
von Import-Export zwischen zwei Volkswirtschaften, dann stellt sich
die Frage, wie stark der US-Dollar fallen und andere Währungen
reziprok im Wert steigen müssten, um ein Leistungsbilanzdefizit
von 7,6 % des BIP aus dem Jahr 2016 zu korrigieren?
Leistungsbilanzdefizite bzw. Überschüsse aus Sicht des
„Rests der Welt“ saldieren vor allem und seit 1997 in
China, Japan und den Ölförderländern. Der nach Ansicht
der US-Administration hohe Exportüberschuss der EU-Länder
gegenüber den USA, der 2018 bei 153 Mrd. Dollar gelegen haben
soll, summiert sich mit den von dieser Adresse ebenfalls gemeldeten
811 Mrd. US-Dollar für den Rest der Welt außerhalb der EU
auf etwa 1 Billion Dollar7 .
Betrachtet
man das Defizit bi-relational, dann beträgt der deutsche
Überschuss etwa 65 Mrd. Dollar. Allein der Blick aus der EU als
Ganzes lässt diesen Überschuss das Defizit aller
europäischen Handelspartner nicht ganz ausgleichen, so dass ein
EU-Defizit von etwa 15 Mrd. US-Dollar übrigbleibt. Und dieser
US-Überschuss trägt die oben erwähnte strukturelle
Asymmetrie der Finanz- und Währungsrelationen, die in nder
Beziehung zwischen der Eurozone und den USA die Besonderheit zeigt,
dass der Euro die unterschiedlichen Zahlungsbilanzen mit den USA
nicht im Einzelnen mehr anzeigt, sondern nur als einheitliche Währung
eines durch autonome Staaten gebildeten Wirtschaftsraumes.
China zeigt in dieser Relation eine Besonderheit, die darin besteht, dass China versucht, eine längst notwendige Aufwertung des Remnibis gegenüber dem US-Dollar durch ein Festkurssystem oder Dirtyfloating, („schmutziges Floating“)8 unter Kontrolle zu halten. Chinas fast fester Wechselkurs erlaubt es der Volkswirtschaft, ein prädominantes, exportgetriebenes Wachstum zu erreichen, gleichwohl der chinesische Binnenmarkt der zweitgrößte der Welt hinter der EU ist.
Durch die chinesischen Leistungsbilanzüberschüsse haben sich über die Jahre hinweg enorme Nettokapitalzuflüsse nach China in Höhe von über 2 Billionen US-Dollar aufsummiert und dieses Muster sieht man auch in anderen Schwellenländer der Welt. Dadurch sind hohe Devisenreserven der Zentralbanken in China und asiatischen Staaten entstanden, die wiederum seitens der Zentralbanken vorzugsweise in US-Rentenpapieren angelegt wurden, zunehmend auch in Euro-Staatsanleihen.
Auch die japanische Notenbank will eine Aufwertung des Yen gegenüber dem Dollar mit aller Kraft vermeiden und sogar eine Abwertung erreichen, um das nach der vergangenen deflationären Dekade einsetzende, schwache Wirtschaftswachstum weiter anzukurbeln. Am Beispiel Japans kann man entgegen auch der Auffassung der MMT sehr gut erkennen, dass sich bei niedrigen Zinsen und einer gleichzeitig hohen Staatsverschuldung eine Wechselkurspolitik der Währungs-Unterbewertung besser eignet, als eine expansive Geld- und Fiskalpolitik, die auf niedrige Zinsen abzielt oder oder steigende Defizite verhindern will.
Die Ölförderländer erfreuen sich
aufgrund der seit Ende der 1990er Jahre anhaltend guten
Weltkonjunktur – mit Ausnahme der etwa zweijährigen Delle
während der internationalen Finanzkrise – steigender
Energiepreise und legen seitdem ihre gewaltig aufsummierten
Leistungsbilanzüberschüsse vorzugsweise in den USA an, da
für diese Länder der US-Dollar als Weltreservewährung
ein bosonders sicherer Hafen für langfristig orientierte
Geldanlagen ist. Auch wenn wir uns wiederholen, es soll festgehalten
werden, dass das US-Defizit durch die Kapitalexporte Chinas, Japans
und – isoliert betrachtet auch Deutschlands sowie der
Ölförderländer finanziert wird.
Selbst Länder
vom afrikanischen Kontinent reihen sich beim weltweiten Kapitalexport
in die USA mittlerweile ein. Auf das Jahr 2005 bezogen entfielen 75 %
der zusammengefassten Leistungsbilanzdefizite der Welt auf die USA,
während ihr Anteil an der Weltproduktion im gleichen Jahr bei 28
% lag9 .
Besonders beachten muss man bei den transaktionalen Wirtschaftsbeziehungen, dass der Anteil der öffentlichen Geldzuflüsse, der „net official capital inflows“, die den Anteil der Kapitalexporte der Notenbanken der Überschussländer, die ihre Devisenreserven in den USA anlegen, weniger als die Hälfte des gesamten Nettozuflusses in die USA ausgemachen10 . Mehr als die Hälfte kommen demnach aus dem privaten Sektor von Unternehmen, Banken, Pensionsfonds sowie von Privathaushalten. Wenn also die Kapitalmärkte in den USA bzw. der Markt an Dollar-basierten Wertpapieren und Vermögenstiteln so groß ist wie heute, hat dies also weniger mit einem Überschuss aus Im- und Exportgeschäften zu tun, sondern mit einer Diversifizierung der Anlagenportfolios, die aus allen Geldmengenaggregaten gebildet ist.
Bereits 2007 wies der damalige Präsident der Fed, Bernanke, darauf hin, dass die Währungsreserven alle Maßstäbe sprengen, die traditionell von Notenbanken angelegt werden. Wie wir bereits ausgeführt haben, lassen sich diese Währungsreserven einerseits aus der Anbindung vieler Währungen an den US-Dollar auf einem Niveau erklären, das anhaltende Exportüberschüsse geradezu herausfordert und keinesweg einer verschworenen Clique amerikafeindlicher Volkswirtschaften entspringt. Gewiss kommen auch andere Faktoren dabei ins Spiel wie etwa die Erfahrung, dass in Zeiten von Währungs- und Finanzkrisen dem Wechselkursrisiko der heimischen Währung mit Dollarverkäufen begenet werden kann, so man welche besitzt.
Bilanzieren wir die Kosten mit den Einnahmen, die das Zahlunsgbilanzdefizit der USA erzeugen, stellen wir ein doch recht überraschendes Ergebnis fest. Die Ausgaben für Zinsen und Dividenden aus Wertpapiergeschäften, die aus den Staaten in den Rest der Welt fließen halten sich ungefähr die Wagge mit den Einnahmen, die die USA aus Auslandsvermögen erzielen. Normalerweise müssten aber die Kosten für ein so hohes Defizit an Nettoauslandschulden weit über den Einnahmen aus Vermögen im Ausland liegen, warum ist das dann in den USA nicht der Fall? Warum liegen die Kosten der jahrelang steigenden Nettoauslandsverschuldung de facto nahe Null?
Das liegt hautsächlich daran, dass die USA sich weniger Sorgen um die Geldzuflüsse aus der Welt machen müssen und dafür in überdurchschnittlichem Maße ihre Vermögen im Ausland als Direktinvestitionen multinationaler Gesellschaften anlegen können. Für die Volkswirtschaft der USA war und ist es in Zukunft noch essenzieller, dass ihre multinationalen Konzerne im Ausland Gewinne erzielen können. Diese ausländischen Direktinvestitionen werfen natürlich im Vergleich mit Zinseinnahmen aus Krediten oder Renditen von Staatsanleihen besonders die letzte zehn Jahre betrachtet, wesentlich lukrativere Erträge ab. Und es ist eben kein Zufall, wenn US-Multis sich über den Atlantik nach Irland z.B. aufmachen, um dort ihre Renditen in Euro zu erwirtschaften, zumal diese dann bei fallender Währungskonvergenz eine zusätzliche Rendite erwirtschaften.
Dass also US-Unternehmen gerne ins Ausland gehen, dort z.B. ihre Lizengeschäfte bilanzieren wie überhaupt Erträge aus ihren liquidierten Auslandsvermögen häufig in ausländischer Währung entstehen, die mit jeder Abwertung des US-Dollar im Wert ohne ihr Zutun auch noch zunehmen ist ein gern realisiertes Extra, ein Währungsgewinn, der neben allen anderen, auch der Stererreform aus 2017 und den Repatriierungsgewinnen die US-Konzerne hoch profitabel hat werden lassen, was sich natürlich auch auf deren Marktkapitalisierung sehr positiv ausgwirkt hat. Ein schönes Ergebnis hat auch die andere Seite der volkswirtschaftlichen Bilanz, da nämlich die Verbindlichkeiten der USA in heimischer Währung fakturiert werden, sind diese von Wechselkursänderungen unabhängig.
Da die Fed aber eines Tages zu steigenden Zinsen
zurück finden musste, haben die letzten beiden Jahre 2016-2018
die Situation für die USA insofern verschlechtert, als die
Schuldendienste der Nettoauslandsverschuldung anwuchsen. Was man bei
diesem geldpolitischem Kalkül allerdings beachten muss, ist,
dass einerseits die US-Defizite eine langfristige Angelegenheit sind,
während die Zinspolitik der Fed und das Anlageverhalten der
privaten Investoren in Dollar-Produkte inkonstant, volatil und eher
kurzfristig ist. Vor allem die großen privaten Investoren gehen
im Jahr 2019 wieder spürbar neue Engagements in Währungen
aus Schwellenländern ein, was die Bilanz des
Nettokapitalzuflusses in die USA deutlich korrigiert und somit auch
die finanziellen Aufwendungen der negativen Zahlungsbilanz relativ
zum US-Bruttoinlandsprodukt inknstant und damit schwerer planbar
bleibt.
Und hier endet auch das Latein der Ökonomik, die sich
in zwei Lager spaltet, eins, welche das US-Leistungsbilanzdefizit
optimistisch, das andere als pessimistisch beurteilt. Man könnte
meinen, hier helfe der Satz vom halbvollen bzw. halbleeren
Wasserglas; mitnichten.
Die eine Fraktion der Ökonomik sucht die Gründe des US-US-Leistungsbilanzdefizit in einer zugrunde liegende weltwirtschaftlichen Konstellation, die durch schwindende Marktkräfte in Zeiten der Globalisierung gekennzeichnet ist. Auf den ersten Blick ein kühner Gedanke, bemerkt doch eigentlich jeder, dass die Marktkräfte eher gewaltig zugenommen haben. Alan Greenspan, ehemaliger Chef der amerikanischen Notenbank Federal Reserve, argumentiert natürlich aus der Sicht der globalen Finanzmärkte und kommt dann zu der Einschätzung, dass einzelne Länder in der aktuellen Lage der globalen Finanzmärkte, diese Situation dahingehend nutzen können, hohe Leistungsbilanzdefizite auch über längere Phasen zu finanzieren un d hat dabei sicherlich Japan an vorderster Stelle im Blick.
Aus seiner, einer zutiefst amerikanischen Sicht,
spiegelt das US-Defizit das große Vertrauen der Welt in die
Kreditwürdigkeit und Solidität der amerikanischen
Volkswirtschaft wieder und dies begründe so ganz nebenbei, dass
am amerikanischen Modell weder politische noch strukturelle
Korrekturen notwendig seien; demnach, alles in bester Ordnung? Auch
der Nachfolger auf dem Chefposten der Fed überrascht mit einer
optimistischen Sicht, die das immer größer werdende
Sparvermögen außerhalb der USA für die gute
Wirtschaftslage und die blühenden Gärten der
Finanzwirtschaft verantwortlich macht.
Sparvermögen begründen
also demnach niedrige Zinsen und die kurbeln die Weltwirtschaft an.
Aber es wäre keine amerikanische Sicht, würde man nicht
sogleich auch die Sparer in den asiatischen und einigen europäischen
Ländern für die arge Asymmetrie in der US-Gesellschaft
verantwortlich machen. So zeichnet Bernanke das Bild eines
Spaarbooms, der durch die Geld- und die Fiskalpolitik des Rests der
Welt auf Kosten der US-Wirtschaft leben lässt. So hätten
gerade die asiatischen Länder durch währungspolitische
Maßnahmen und Fiskalpolitk auf Kosten des Dollars ihre
Leistungsbilanzen konsolidiert. Und die Überschüsse aus dem
Ölboom täten ein Übriges.
Hinter dier Argumentation der ehemaligen Notenbankchefs versammeln sich weitere Autoren, die die Gründe für das US-Defizit in den Volkswirtschaften der sog. Überschussländer sehen und die gleichzeitig dieses Defizit in Relation zu den Überschüssen gesetzt als die realtiv stabile Grundlage ansehen, auf der das Wachstum und der Wohlstand der Welt beruhen11 . Das Gefälle in den Leistungsbilanzen ist demnach das antreibende Ungleichgewicht im Weltwirtschaftssystem. Ganz im Geiste von Bretton Woods mit dem ein Währungssystem aus festen und freien Wechselkursen bezeichnet wurde, argumentieren die Anhänger dieser Sichtweise eines Amerika- bzw. Dollar-zentrierten Ansatzes der Weltwirtschaft, in dem eine Reihe von asiatischen Entwicklungsländern, allen voran China, ihre Währung durch relativ feste Koppelung an den US-Dollar stabilisieren wollen und eine gezielte Unterbewertung der heimischen Währung aufrechterhalten, um ein exportorientiertes Wachstum zu fördern, welches dann die Defizite in den USA erzeugt.
Für Japan und Südkorea mag auch der
Zusammenhang mit den für dieses Wachstumsmodell notwendigen,
ausländischen Direktinvestitionen angehen, aus denen dann
Währungsreserven der Zentralbanken entstehen, die in den USA
dann angelegt werden; allein dies trifft wenig auf China zu und
erklärt nicht den Expansionsdrang der US-Konzerne nach Europa.
Europa ist ja eine Gruppe von Ländern mit flexiblem Wechselkurs
gegenüber dem US-Dollar, was mit den Wechselkursschwankungen
auch private Kapitalströme in die USA zu- oder abfließen
lässt. Dies nicht jeweils, aber z.B. besonders in Phasen
technologischer Erneuerungen wie dies in der Boomphase der New
Economy und heute im anhaltenden IT-Boom festgestellt werden
kann.
Wenig wiederum passt der Sachverhalt in dieses Bild, den wir
eben beschrieben haben, wonach gerade in Zeiten der Eurokrise
öffentliche Gelder in die USA geflossen sind und die gerade aus
den durch EZB Gelder unterstützte Euro-Krisenstaaten abeflossen
sind.
Und gerade deshalb stehen doch starke Zweifel im Raum, dass die privaten und die öffentlichen Geldströme, hier die Währungsreserven der Notenbanken, sich wechselseitig bedingen. Gehen die einen hoch, gehen die anderen runter; so einfach scheint es dann doch nicht zu sein und also auch nicht das Weltwirtschaftssystem als Ganzes. Wenn also die Weltwirtschaft ihr Wachstum und ihren Wohlstand dem amerikanischen Modell verdankt, dann sind Korrekturen daran aus der Sicht des Restes der Welt weder begründet noch angezeigt.
Maurice Obstfeld12 ordnet das US-Leistungsbilanzdefizit anders ein und kommtt aus seiner Sicht zu einer weniger optimistischen als pessimistischen Auffassung. Demnach ist das US-Defizit Teil eines globalen Problems, das aus dem amerikanischen und dem chinesischen Modell gleichermaßen erwächst. Beide, die US-Wirtschaft und die chinesische ‚produzieren‘ in immer größeren, global agierenden Konzernen auf der Basis rein Angebots-dominanter Strukturen Wachstum ohne Hemmung und Grenzen. Die Unternehmen skalieren ihre Geschäftsmodelle in die Welt und saugen aus der Welt die privaten Geldströme auf wie Schwämme. Das ist der Unterschied zu den Nachkriegsphasen und dem Bretton-Woods System der weltweiten Geldwirtschaft, dass damals die Leistungsbilanzen der weltweiten Volkswirtschaften gar nicht so sehr sich ausprägen konnten, wie dies heute geschieht.
Waren die Defizite damals im Vergleich zu heute eher moderat, weil die wachstumstreibenden, grenzüberschreitenden Skalenmodelle der Wirtschaft zwar im industriellen Maßstab schon vorhanden waren, diese aber in keinem Verhältnis standen zu dem Maßstab, der heute in Zeiten der Globalisierung und Digitalisierung angelegt werden muss. Selbst im sogenannten „goldenen Zeitalter“ des Bretton-Woods-Systems hatten die USA nur in wenigen Jahren moderate Defizite und der Dollar war weit entfernt von seiner Kapitalsaugkraft heutiger Tage. Wenn dem so ist, werden in Zukunft Wechselkursanpassungen immer schwieriger, da ein deutlich schwankender Dollarkurs sowohl die Wirtschaft in den USA wie im Rest der Welt, je nach Schwankungsrichtung zu äußerst harten Notlandungen führen kann.
So hat richtigerweise auch der deutsche Sachverständigenrat13 bereits in seinem Jahresgutachten 2006/07 darauf hingewiesen, dass die wesentliche Ursache für das US-Defizit eine deutlich zu expansive, konjunkturstimulierende Geld- und Fiskalpolitik in den USA angesehen werden muss. Die geld- und fiskalpolitischen Maßnahmen wirken wie ein globales Konjunkturprogramm und verstärken diese Wirkung noch durch die außenhandelsorientierte Wechselkurspolitik asiatischer Länder und die hohen Leistungsbilanzüberschüsse der Ölförderländer.
So haben gerade die sehr niedrigen Zinsen der Fed einmal die Binnenwirtschaft wie den Binnenkonsum zwischen 1995 und 200 so sehr gefördert, dass sich dies in steigenden Defiziten in der Handelsbilanz niederschreiben musste. Zugleich wurde mit eben den niedrigen Zinsen die im Jahr 2001 einsetzende Rezession bekämpft und diese haben dann im Jahr 2002 bis 2004 zu dem sog. „Zwillingsdefizit“ geführt, das einen Fehlbetrag in der Leistungsbilanz gegen 5% des BIP und ein staatliches Haushaltsdefizit gegen 3% des BIP aufsummiert hat.
Die USA haben damals also durch geldpolitische und fiskalpolitischen Entscheidungen nicht nur den Wohnungsbau und den Konsum massiv gefördert und einen Überhang an Importen ausgelöst, sie haben in Folge dessen auch vermehrt ausländische Finanzmittel gebraucht und dabei nicht wie in anderen Ländern etwa auf amerikanische Sparvermögen zurückgreifen können. Eine Statistik des US-Schatzamtes zeigt dagegen, in welchem Ausmass ausländische Investoren mit dem Erwerb von US-Staatsanleihen bei der Finanzierung des Leistungsbilanzdefizits mitwirkten. Deren Nettokäufe sind binnen wenigen Jahren auf mehr als 230 Mrd. $ pro Jahr gestiegen und sind hauptsächlich durch Japaner und auch und in zunehmendem Maße durch Festlandchinesen getätigt worden. Somit wirkten asiatische Anleger stabilisieren dem Abwertungsdruck auf dem Dollar, der sich aus dem Zwillingsdefizit ergab, entgegen.
So gerne auch der chinesische Drache in den USA für die Verwerfungen im globen Handel verantwortlich gemacht wird, so sehr entbehrt diese Auffassung einer nachvollziehbaren wissenschaftlichen Tiefe. Allein das deutliche Handelsdefizit der USA mit China, Japan und Deutschland wie eine Zahlenmonstranz vor sich her zu tragen, ändert nichts daran, dass aus dieser Monstranz keine heilige Botschaft in den Rest der Welt geht.
Chinas Außenhandelsüberschüsse
waren solange recht gering, solange China die Werkbank der Welt war.
Erst in den letzten Jahren sind die Handelsüberschüsse
Chinas enorm angestiegen und rührte hauptsächlich daher,
dass China steigende Direktinvestitionen ausländischer
Unternehmen verzeichnen kann. Laut Weltinvestitionsbericht der
Uno-Konferenz für Handel und Entwicklung (UNCTAD) des Jahres
2018 ist China weltweit an zweiter Stelle der bedeutendsten
Empfängerländer für ausländische
Direktinvestitionen (ADI) gerückt, hinter den Vereinigten
Staaten und vor Hong Kong. Das Land steht an zweiter Stelle im
Ranking der attraktivsten Länder für multinationale
Konzerne 2017-2019, hinter den Vereinigten Staaten. Diese
Nettokkapitalzuflüsse sind also keine Auswirkungen einer
chinesischen Handelspolitik und auch nicht der wesentliche Faktor
allein.
Schaut man auf die chinesische Leistungsbilanz als Ganze
wird man sehen, dass China gegenüber vielen regionalen
Nachbarländern ein Leistungsbilanzdefizit ausweist, was darauf
hindeutet, dass die Wertschöpfungsketten, die China mit seinen
Nachbarn verbinden bilanziert defizitär sind. Das heißt,
Chinas Wirtschaft ist zwar breit mit anderen Wirtschaften verbunden,
verfügt aber nicht über die nötige Fertigungstiefe,
die einen positiven Exportsaldo erzeuigen könnte.
Chinas Wirtschaft hat in Summe also einen sehr
hohen Importgehalt in der globalen Fertigung und dieses Problem hat
die chinesische Wirtschaft auch erkannt und versucht dies nachhaltig
zu ändern. Ganz nach dem Vorbild deutscher bzw. europäischer
Fertigungsstrategien geht China den Weg einer mehr kooperativen,
globalen Wertschöpfung mit effizienteren und rentableren
Prozessen, auch bei Logistik und Transport.
Vergleicht man diese
Fertigungsmodelle untereinander, dann kann man feststellen, dass
viele Volkswirtschaften in Europa sich in den letzten Jahrzehnten
deutlich besser, effektiver und ergebnisoptimaler im nun bereits
langanhaltenden industriellen Strukturwandel mit Schwellenländern
inkluse der chinesischen Staatswirtschaft und damit im Durchschnitt
besser auf den globalen Wettbewerb eingestellt haben als die USA.
Hier sehen wir die industriepolitischen Anpassungsdefizite der
amerikanischen Wirtschaft und die Gründe für das
US-Handelsdefizit.
In conclusio sind die Handelsüberschüsse und die steigenden Direktinvestionen sowie eine rentablere Wertschöpfung mit entscheidend für Chians Überschüsse. Die Währungspolitik allein hätte das nicht geschafft. Blieben die USA unberührt vom Anpassungsdruck globaler Wertschöpfung bei ihrer Auffassung, dass das Handelsdefizit mit China im Kern eine währungspolitisches Problem darstellt, auf dessen Grund die chinesischen Exporte ihren Preisvorteil gegenüber den amerikanischen finden, müsste China den Renminbi extrem stark gegenüber dem Dollar aufwerten, damit sich ein deutlicher Effekt bei den amerikanischen Exporten nach China einstellt. Da dies unwahrscheinlich ist, geht die US-Regierung den Weg über eine 25%ige Erhöhung von Einfuhrzöllen und niemand weiß, welcher Logik diese Politik folgt, kann sie doch das gewünschte Ergebnis in keinster Weise erreichen.
Nachdenklich sollte stimmen, dass Europa ja bereits den Euro gegenüber dem CNY (Renminbi) deutlich aufgewertet hat und trotzdem ein deutliches Handelsdefizit mit China ausweist. Exporten von knapp 200 Mrd. Euro standen in 2018 Importe von knapp 375 Mrd. Euro gegenüber. Bei den Einfuhren ist China mittlerweile der größte Handelspartner der EU, gefolgt von den USA mit 255 Mrd. Euro. Der enorme Anstieg der Devisenreserven Chinas kam also durch die Handelsüberschüsse der letzten Jahre sowie durch die Nettokapitalzuflüsse infolge der ausländischen Direktinvestitionen zustande und nähern sich mittlerweile dem Volumen nach sehr stark an14 . Chinas Währung allein auf seine Handelspolitik zurückzuführen darf damit als ein interessengeleiteter Diskurs der US-Aussenpolitik verstanden werden.
Betrachtet man das US-Leistungsbilanzdefizit quasi aus der Bird View Perspektive wird man unschwer erkennen, dass daran viele Volkswirtschaften aus verschiedenen Ländern, aber auch Kapitalexporte wie Kapitalimporte eine Rolle spielen sowie eine Reihe von wirtschaftspolitischen Faktoren fremder Länder mit eingehen. Leistungsdefizite insgesamt spielen sich heute zunehmend vor dem Horizont einer, durch die Globalisioerung der Finanzmärkte sehr stark veränderten, ja transformierten Marktsituation ab, die daran immer deutlicher zu erkennen ist, dass einerseits die Finanzierung selbst riesiger Leistungsbilanzdefizite über längere Zeiträume hinweg möglich wurde und andererseits auf Finanzmärkten wie Deutschland es zur Ausbildung von Negativzinsen gekommen ist – wir kommen auf diesen Faktor gleich zurück.
Anmerkungen:
1 Die nachfolgenden Daten und vor allem die gennaten Summen an Netto-Kreditflüssen stammen im Wesentlichen aus H-W Sinn, a.a.O Kap. 7, S.279 ff.
2 Vgl. Sinn, a.a.O. S. 286
3 Vgl. Creditreform Unternehmensinsolvenzen in Europa, Jahr 2018/19 , abgerufen: 08.05.2019.
4 Diese Anlagen werden auch High-Yield-Anleihen, Junk-Bonds oder Ramschanleihen genannt.
5 Die Kapitalbilanz als Teil der Zahlungsbilanz eines Landes fasst, spiegelbildlich zur Leistungsbilanz, alle Kapitaltransaktionen zwischen In- und Ausland zusammen.
6 Mit dem Terminus: transaktionsbasierte Wirtschaftskraft wollen wir die Vorgängigkeit von Geld- bzw. Kredittransfers im internationalen Handel hervorheben. Der gilt nicht nur bei Großprojekten, die in aller Regel nicht ohne Finanzierungskonzepten realisiert werden, sondern auch in grenzüberschreitenden Projekten mittlerer Größe.
7 Wir
haben an anderer Stelle bereits ausführlich darauf hingewiesen,
dass diese Rechnung nicht einmal die Intelligenz eines Milchmädchens
besitzt und nur politisch zu verstehen ist. Glaubt man dem Münchner
Ifo-Institut, dann sind es mitnichten die USA, deren Leistungsbilanz
gegenüber der EU einen Fehlbetrag aufweist. Im Gegenteil, es
seien die Europäer: Sie verbuchten allein 2017 ein Defizit von
14,2 Milliarden Dollar. "Das ist keine Wirtschaftsbeziehung wie
Trump es darstellt, wo einer zahlt und einer bekommt", sagt
Gabriel Felbermayr, Leiter des Ifo-Zentrums für
Außenwirtschaft. "Das bedeutet, dass Europa in den
Verhandlungen mit den USA sehr viel kraftvoller auftreten könnte,
als man bisher geglaubt hat." SZ vom 11. Juni 2018, 19:37 Uhr:
Handelsstreit -
Die USA haben gar kein Defizit mit der EU
8 Dirtyfloating. Art des Floating, bei dem der Wechselkurs der eigenen Währung nicht frei nach Angebot und Nachfrage am Devisenmarkt schwanken kann, sondern bei dem der Wechselkurs durch die Währungsbehörde gezielt dahingehend beeinflusst und gesteuert wird, die Terms of Trade zu verbessern, d. h. Exporte zu fördern und/oder Importe zu hemmen.
9 Berechnet nach: World Bank, World Economic Indicators 2007, Washington, D. C.
10 Das sind 47 % im Durchschnitt in den Jahren 2002 - 2006. Siehe Ben Bernake: Global Imbalances: Recent Developments and Prospects. Bundesbank Lecture, Berlin vom 11. September 2007 (abgerufen 15.05.2019)
11 Vgl. Michael P. Dooley/David Folkerts-Landau/Peter M. Garber, An Essay on the Revived Bretton Woods System, NBER Working Paper 9971, September 2003.
12 Vgl. Maurice Obstfeld, America's Deficit, the World's Problem. Center for International and Development Economics Research, Paper C05 - 144, 1. 6. 2005.
13 Vgl. Sachverständigenrat zur Begutachtung der gesamtwirtschaftlichen Entwicklung, Jahresgutachten 2006/7, Bonn 2006, S. 108 - 162.
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